Vorerst (?) gescheitert
Der Euro kriselt und in den USA sind die
Gespräche zum Schuldenabbau zwischen den Demokraten und den Republikanern gescheitert. Aber das wirklich alle bewegende Thema dieser Woche war: Kommt er zurück oder nicht?
Das bemerkenswerte ist, dass man noch nicht einmal schreiben muss, um wen es sich bein "ihm" handelt, jeder weiß sofort, dass "Gutti" gemeint ist, der Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg, unser ehemaliger Minister in Berlin, der vor allem deshalb in guter Erinnerung geblieben ist, weil er sich gut in Szene zu setzen wusste. Und er hat den Wehrdienst abgeschafft. Gut, keiner wusste, wie man das dann umsetzen sollte, aber ein Freiherr kann sich ja auch nicht um alles kümmern.
Nun also arbeitet Guttenberg
"offensiv an seiner Rückkehr". Es passt ja auch
alles zusammen: Das Verfahren gegen Guttenberg wurde gegen eine Geldstrafe von 20.000 Euro eingestellt, er trat im kanadischen Halifax auf und in den nächsten Tagen wird sein Buch mit dem programmatischen Titel "Vorerst gescheitert" erscheinen. Das ist alles ist so gut choreographiert, dass selbst die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Hof von langer Hand vorbereitet war.
Aber die Reaktionen der Medien sind nicht sonderlich positiv. Die Süddeutsche titelt gar:
Comeback eines Blenders. Er hat es aber auch nicht leicht. Wir haben ja schon immer geahnt, dass Politiker das Volk nur blenden und betrügen und in Wirklichkeit nur ihren eigenen Vorteil im Blick haben. Nachdem unser aller Gutti sich die Doktorarbeit ergaunert und in seinem Ministeramt mehr Fragen als Antworten zurückgelassen hatte,
wissen wir nun, dass genau dies bei ihm der Fall ist. Der schöne Schein ist weg.
Aber spricht das wirklich gegen ein Comeback von Guttenberg? Man erinnere sich doch nur an den früheren bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß. Bei ihm hatte doch auch keiner Zweifel, aus welchem Holz er geschnitzt war. Und hat ihm das geschadet? Zumindest nicht in Bayern. Die Bayern scheinen diese Ehrlichkeit ihrer Lügner zu lieben. "A Hund is er scho", wie man hier sagt. Und dann knuddelt man den kleinen Rabauken.
Guttenberg mag ein Lügner sein, ein Blender und Betrüger. Aber das ist nichts, was gegen sein Comeback sprechen würde. Zumindest nicht im Süden der Republik.
P.H.
red horse am 26. November 11
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This is (not) America
Wie heißt es noch einmal so passend zum Ende der ersten Strophe der
amerikanischen Nationalhymne:
O say, does that star-spangled
banner yet wave
O'er the land of the free
And the home of the brave?
(Übersetzung:
Oh sagt, weht dieses
sternenbesetzte Banner noch immer
über dem Land der Freien
und der Heimat der Tapferen?)
Nun diese Frage scheint heute mindestens so aktuell wie vor knapp 200 Jahren, als diese Zeilen geschrieben wurden.
Amerika, das war immer auch der amerikanische Traum, der zwischen New York und San Francisco, den Bankern und den Hippies, jedoch nicht nur ein Traum blieb, sondern Realität wurde. Wo sonst konnte man ungestört seine Meinung sagen, selbst neonazistischen Müll, für den man in Deutschland für ein paar Jahre arische Stahlfenster von innen besichtigen darf? Wo sonst konnte man die verrücktesten Dinge anstellen - Kekse ins Eis mischen wie Ben & Jerry oder respektlose Filme drehen wie Charlie Chaplin? Natürlich wurden diese Freiheiten auch ausgenutzt, etwa wenn man sich die Freiheit nahm, eine Café-Kette zu verklagen, weil der Kaffee doch tatsächlich heiß war und man sich damit in einem ungeschickten Moment den Oberschenkel verbrüht hatte. In Bayern hätte man die Angelegenheit mit einem herzlichen "Halt die Gosch'n, du Depp" erledigt, aber für den Amerikaner ist die Meinungsfreiheit heilig.
Doch was tut sich nun? Da protestieren Menschen gegen die soziale Ungerechtigkeit, die nur noch das Einkommen der oberen 1% der Bevölkerung wachsen lässt, während es den anderen 99% immer schlechter geht, und die Polizei geht mit aller Härte vor. In einer konzertierten Aktion wurden in zahlreichen amerikanischen Städten die Plätze geräumt, auf denen die Protestanten Zeltstädte errichtet hatten. Landesweit sollen dabei
über 4000 Menschen festgenommen worden sein. Das hatte sich noch nicht einmal das Mubarak-Regime in Ägypten getraut, als die Demonstranten dort den Tahir-Platz besetzt hielten.
Und was machen die Politiker? Zumindest die Republikaner werden ihrem Image der Partei der Superreichen gerecht und treten auf die 99%. "Nehmt erst einmal ein Bad und sucht euch dann einen anständigen Job",
forderte der Republikaner Newt Gingrich die Demonstranten auf. Die Demonstranten sind halt keine anständigen Menschen. "Spiel nicht mit den Schmuddelkindern", wie der
letzte Woche verstorbene Liedermacher Franz-Josef Degenhardt schon in den 1960er Jahren sang. Denn wer Arbeit will, der findet auch eine. Gut, vielleicht nicht gerade in einer der schwersten Wirtschaftskrisen, die die Republikaner mit ausgelöst haben...
Früher, so hat man uns gesagt, waren die Amerikaner stolz auf die, die es geschafft hatten. Neid, so die Legende, gab es nur im verbiesterten Deutschland. Und heute? Da erkennen die Amerikaner, dass der Superreichtum des einen tiefe Armut für den anderen bedeutet. Die Bewunderung für den Reichtum anderer wich dem Gefühl, von den Reichen ausgenutzt zu werden. Und diese zögern auch nicht lange und zeigen den Armen, welche Verachtung sie eigentlich für die Armen empfinden.
In Amerika, so scheint es, zieht langsam die Normalität ein.
K.M.
red horse am 20. November 11
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Die Sache mit dem Auge
Man mag es nicht glauben: Da spioniert der Staat uns mit kleinen Computerprogrammen schon seit geraumer Zeit in einer Weise aus, die deutlich
jenseits von Recht und Gesetz ist, und dennoch bekommt er nicht mit, dass seit
mindestens 13 Jahren eine rechtsextreme Terrorgruppe in Deutschland ihr Unwesen treibt, Bomben baut, Banken überfällt und Einwanderer tötet.
Gut, man hätte sich Fragen können, ob ein Sprengstoffattentat in Köln-Mülheim, bei dem 22 Menschen schwer verletzt wurden und eine Frau ihr ungeborenes Kind verlor, nicht auf das Konto von Rechtsextremisten ging - schließlich fand das Attentat in einer
von Türken bewohnten Straße statt. Aber vielleicht wollte man auch nicht glauben, dass sich in Deutschland schon wieder rechtsextreme Gruppierungen so gut organisiert haben, dass sie mit ihrem Terror nach einen ausgeklügelten Plan das Leben von Menschen in Gefahr bringen würden.
Bisher waren Neonazis ja vor allem als Spontanschläger aufgefallen, die mal ihr einen Schwarzafrikaner zusammen oder dort einen Vietnamesen krankenhausreif geschlagen haben. Nichts, was den Frieden in Deutschland dauerhaft gestört hätte. Mei, jung san's halt. Und außerdem war auch noch meistens Alkohol im Spiel (natürlich war Alkohol im Spiel, anders kann man die wirren Ideen der Rechtsextremen auch nicht aushalten).
Nun organisieren sich also nicht nur Islamisten, um den Frieden im Land zu stören, sondern auch Rechtsextreme. Vor Verwunderung kann man den Mund kaum schließen: Dass die doch so intelligent sind, konnte ja keiner ahnen. Oder war die Polizei, wie ihr nun
vorgeworfen wird, einfach nur auf dem rechten Auge blind?
Aber gehören diese Zeiten, in denen man lieber mit den Rechtsextremen paktierte, bevor man auch nur ein Wort mit den Sozis wechselte, nicht längst der Vergangenheit an? Zumindest, seitdem es doch tatsächlich die rot-grüne Bundesregierung unter Kanzler Schröder geschafft hat, ein derart neoliberales Regierungsprogramm durchzuziehen, dass sogar die FDP vor Neid erblasste? Dann wundert man sich aber schon über Äußerungen wie die des nordrhein-westfälischen Innenministers Ralf Jäger, der doch, um den Rechtsextremismus zu bekämpfen, tatsächlich
vorgeschlagen hat: "Wir werden bei der nächsten Innenminister-Konferenz auf eine engere Zusammenarbeit von Bund und Ländern drängen." Schließlich habe man damit schon gute Erfolge im Kampf gegen den Islamismus erzielt.
Vielleicht ist man auf dem rechten Auge doch a bisserl kurzsichtig...
P.H.
red horse am 15. November 11
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Feinde im Inneren
Margaret Thatcher hatte in den 1980er Jahren einen großen Krieg zu kämpfen. Nein, nicht der Krieg gegen Argentinien um ein paar Felsen im Atlantik, die Falkland-Inseln, sondern einen veritablen Bürgerkrieg im eigenen Land. Hatten doch die Gewerkschaften der Bergarbeiter im März 1984 zu einem Streik gegen den Plan der Regierung aufgerufen, zahlreiche Zechen stillzulegen und die anderen zu privatisieren. Thatcher hatte damals Polizisten eingesetzt, um die Fronten der Streikenden gewaltsam zu öffnen und Streikbrecher in die Betriebe zu lassen. Außerdem hatte sie angeordnet, die Kinder der Streikenden von der kostenlosen Schulspeisung auszuschließen. Es ging schließlich darum, den "Feind im Inneren" (the enenmy within) zu bekämpfen, wie Thatcher damals meinte.
Nun ja, Feinde im Inneren kennen wir in Deutschland zum Glück nicht. Doch manchmal fragt man sich schon, was die Union und besonders die FDP mit ihrer Politik zu bezwecken versuchen. Am 04.11.2011 hat der Arbeitskreis Steuerschätzung
seine Prognose für das Steueraufkommen deutlich angehoben: Von 2011 bis 2015 sollen nach dieser Schätzung knapp 40 Milliarden Euro mehr in die Staatskasse fließen als noch bei der letzten Schätzung vorhergesagt. Nun sind die Vorhersagen der Steuerschätzung kaum genauer als das Vorhersagen der Zukunft mit Hilfe einiger Tarot-Karten, doch die Reaktion vor allem der FDP Politiker auf diese Nachricht war nur allzu leicht vorhersagbar: So seien, nach
Meinung des haushaltspolitischen Sprechers der FDP, Otto Fricke, die Zahlen der Schätzung "Anlass zur Freude", und eine Entlastung der Bürger sei nicht nur "haushaltspolitisch verantwortungsvoll, sondern auch wachstumspolitisch erforderlich". Und die FDP will die für 2013, rechtzeitig zur Wahl, geplanten Steuersenkungen aufgrund des großen Geldsegens nun
auf 2012 vorziehen.
Hübsch, wir haben mehr Geld - und das nur durch Steuereinnahmen. Wer könnte da dem Plan widersprechen, die Steuern zu senken, um diesen Überschuss wieder an die Bevölkerung zurückzugeben?
Manchmal wundert man sich wirklich, für wie dumm manche Politiker uns halten. Auch wenn sich die von den Steuerschätzern prognostizierten Mehreinnahmen so einstellen sollten, wie sie vorhergesagt wurden, haben wir nicht mehr Geld, sondern machen immer noch Schulden. Welches Geld soll denn da verteilt werden? Was wollen die Union und besonders die FDP erreichen? Wollen sie den Staat derart verschlanken, dass sein Gerippe in nächster Zeit entspannt in die Insolvenz gehen kann?
Thatcher nannte die Gewerkschaftler dereinst "Feinde im Inneren". Wir scheinen diese in Deutschland leider an exponierterer Stellung sitzen zu haben.
K.M.
red horse am 05. November 11
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Wem kann man noch trauen?
Nun also der Mindestlohn. Obwohl wir dank der Zeitumstellung am letzten Oktoberwochenende ungewöhnlich ausgeschlafen waren, glaubten wir doch zu träumen, als wir in den Nachrichten hörten, dass unsere Bundeskanzlerin sich nun für
die Einführung eines Mindestlohns in Deutschland einsetze. Ausgerechnet Frau Merkel! Als im Jahr 2008, zu Zeiten der großen Koalition zwischen SPD und Union, schon einmal die landesweite Einführung eines Mindestlohns diskutiert worden war, da hatte Frau Merkel sich dagegen ausgesprochen. "Wir glauben, hier würden wir Barrieren aufbauen, wo Menschen sonst den Einstieg in einen Aufstieg für ihr Leben finden könnten",
wie sie damals sagte.
Mindestlöhne, so das allgemeine Credo, kosten Arbeitsplätze. Gut, wissenschaftlich wurde das nie nachgewiesen, im Gegenteil wo immer man Mindestlöhne eingeführt hat, da kam es
nicht zu dem befürchteten Arbeitsplatzabbau. Ein besonders überzeugendes Experiment wurde vor einigen Jahren in Florida durchgeführt. Im Jahr 2004 lag der landesweite Mindestlohn in den USA bei $5,15. Bei einer Abstimmung in Florida stimmten die Wähler für eine Anhebung des Mindestlohns auf $6,15 und legten außerdem fest, dass der Mindestlohn jährlich automatisch mit der Inflation steigen solle. Wieder hatten die Experten vor großen Arbeitsplatzverlusten gewarnt – doch man musste feststellen, dass sich diese auch ein Jahr nach Erhöhung des Mindestlohnes einfach nicht einstellen wollen. Stattdessen hatte Florida 248.000 neue Jobs geschaffen, während die Arbeitslosenrat auf ein 30-Jahrestief fiel.
Aber selbst empirische Beweise, dass ein Mindestlohn keine negative Auswirkung auf die Beschäftigtenzahlen hat, hindern einen Politiker natürlich nicht daran, felsenfest vom Gegenteil überzeugt zu bleiben.
Ein bisschen erinnert das an die Diskussion um die Atomenergie. Seit Jahren wussten alle, dass die Atomenergie eine riskante Technologie ist, bei der es zu schweren Unfällen kommen kann, seit Jahren wusste man, dass die Frage der nuklearen Endlagerung völlig ungeklärt ist, und so schnell auch nicht geklärt würde - und dennoch hatte Frau Merkel beschlossen, dass die Atomenergie eine zukunftsträchtige Technologie sei, weshalb die schwarz-gelbe Bundesregierung aus dem von rot-grün beschlossenen Atomausstieg ausstieg. Dann kam die Katastrophe von Fukushima, und plötzlich sah alles ganz anders aus. Schneller noch als sogar rot-grün dies vorgesehen hatte, wurden die ersten Atomreaktoren in Deutschland abgeschaltet.
Man kann ja verstehen, dass Politiker ihre Fahne nach dem Wind drehen, um bei der nächsten Wahl die Chance zu erhöhen, wiedergewählt zu werden. Doch sowohl im Fall der Atomenergie als auch im Fall der Mindestlöhne hat uns die Regierung von Frau Merkel überzeugende Argumente vorgelegt, die gar keinen anderen Schluss zuließen, als das die Atomenergie eine zukunftsfähige Technik ist und ein Mindestlohn völliger Unsinn. Man hat ihren Worten vertraut. Und jetzt vertraut Frau Merkel ihren eigenen Worten nicht mehr.
Wie soll man aber unseren Politikern noch vertrauen, wenn sie sich sogar selber nicht mehr vertrauen?
P.H.
red horse am 01. November 11
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Schnitt - danke!
Man hatte in den letzten Wochen den Eindruck, einen Krimi zu beobachten. Beinahe jeden Tag gab es Neuigkeiten zum Rettungsschirm für Griechenland. Entweder gab es in Griechenland großangelegte Streiks, oder die Troika aus Vertretern der Europäischen Kommission, Europäischen Zentralbank und Internationalem Währungsfond war mit den Sparergebnissen der griechischen Regierung nicht zufrieden, oder man hörte verwundert, dass die griechische Regierung das Gelände des alten Athener Flughafens nicht verkaufen könnte, weil es mangels Grundbüchern unklar sei, ob es wirklich komplett dem Staat gehöre...
In der Nacht zum 27.10.2011 gab es in diesem Thriller einen erneuten Höhepunkt. Die Regierungschefs der Euro-Zone haben sich auf
einen Schuldenschnitt für Griechenland von 50% geeinigt. Vor Wochen noch war dies undenkbar, nun mit einem Male wurde es beschlossen. Verwundert reibt man sich die Augen.
Und was sagen die Banken? Immerhin müssen sie ihr Milliardenengagement doch nun zur Hälfte abschreiben. Hören wir, was Josef Ackermann, seines Zeichens nicht nur Chef der Deutschen Bank, sondern auch Präsident des internationalen Bankenverbands (IIF), und damit oberster Repräsentant der Finanzbranche und an allen Gesprächen beteiligt, dazu zu sagen hat: „
Wir sind sehr zufrieden mit der erreichten Einigung.“ Die Banken sind zufrieden damit, die Hälfte ihres Einsatzes zu verlieren?
Nun, wie sich zeigt, ist das auch völlig in Ordnung; schließlich ist die Hälfte von nahezu Null noch nicht einmal genug, um sich davon in München ein Eis kaufen zu können. Von den etwa 45 Milliarden Euro, mit denen deutsche Institutionen in griechischen Staatsanleihen investiert sind, liegen nur noch etwa 5 Milliarden bei den privaten Banken, gut 40 Milliarden befinden sich mittlerweile in öffentlicher Hand - also bei uns Steuerzahlern. Vor Monaten war das Verhältnis noch deutlich ungünstiger für die privaten Banken. Aber damals wollte die Regierung ja auch auf keinen Fall einen Schuldenschnitt. Hatten wir da nicht vor kurzem was
vermutet?
Und das Schönste kommt, wie immer, zum Schluss: Ein Schuldenschnitt von 50% muss nicht immer einen Verlust bedeuten. Es ist nur ein Verlust, wenn man die Staatsanleihe zu einem Preis eingekauft hat, der über 50% des Nennwertes lag. Das haben die griechischen Staatsanleihen jedoch längst hinter sich. In den letzten Wochen wurden sie nur noch für etwa 35% des Nennwertes verkauft - hätte man da zugeschlagen, können man sie jetzt für 50% verkaufen, und hätte ein hübsches Sümmchen eingefahren. Und nun raten Sie mal, was
einige Banken in den letzten Wochen getan haben. Kein Wunder, dass Herr Ackermann so zufrieden mit der Einigung ist...
Noch kann keiner sagen, ob der Krimi um Griechenlands Schulden mit der Entscheidung zum Schuldenschnitt ein Ende gefunden hat. Allerdings lässt sich jetzt schon sagen, dass der Krimi immer mehr zu einer schwarzen Komödie mutiert.
J.E.
red horse am 28. Oktober 11
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Gegen die "Auswüchse" des Kapitalismus
Am letzten Samstag, dem 15.10.2011, folgten viele Menschen in Europa dem Beispiel der Amerikaner. Dort hatte sich die Wut gegen die Zockerei der Banken derart ausgestaut, dass eine Bewegung mit dem Namen "Occupy Wall-Street" regen Zulauf findet und schon fast an die legendären Montagsdemos in Leipzig vor der Wende erinnert - vielleicht dereinst mit einem ähnlichen Erfolg.
Die deutschen Demonstrationen fanden unter dem Titel
"Besetzt Frankfurt" statt. In Frankfurt hatte man sogar Zelte vor der Europäischen Zentralbank aufgeschlagen. Nachdem eine Zeltstadt auf dem Kairoer Tahrir-Platz schon umwerfenden Erfolg hatte (verzeiht das Wortspiel), können wir der Frankfurter Version nur einen vergleichbaren Erfolg wünschen.
Etwas verwundert jedoch die Forderung der Demonstranten. Sie will die
"Auswüchse des Kapitalismus" stoppen. Wovon genau reden die Demonstranten da?
Der Kapitalismus ist in seinem Kern ein menschenverachtendes Wirtschaftssystem. Es gelten die von Herbert Spencer verbreiteten Gesetzes des sozialen Darwinismus, des Kampfes eines jeden gegen jeden (was nichts mit dem biologischen Darwinismus zu tun hat, der viel humaner ist). Arbeiter werden ausgebeutet, die Armen werden ärmer und die Reichen werden reicher. Der Kapitalismus braucht keine Demokratie. Wie Chile unter Pinochet oder das heutige China zeigen, floriert er auch in totalitären Systemen.
Doch in keinem klassischen Industrieland der Erde (Zweifel mögen im Fall der USA angebracht sein) herrscht heute wirklich Kapitalismus. Nach den Erfolgen der Arbeiterbewegung Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts hat sich in allen Industrieländern ein demokratisches System der Wirtschaft etabliert, dass durch zahlreiche Maßnahmen wie eine progressive Einkommensteuer oder soziale Sicherungssysteme versucht, die Grausamkeiten des kapitalistischen Systems zu mildern. In Deutschland läuft dieses Wirtschaftssystems unter dem Markennamen "soziale Marktwirtschaft", doch auch wenn die Engländer, Franzosen oder Japaner ihr Wirtschaftsystem nicht so nennen - es ist im Grunde kein Kapitalismus, sondern eine soziale Marktwirtschaft.
Damit könnte alle Welt zufrieden sein. Doch die pseudowissenschaftliche Ideologe des Neoliberalismus setzt alles daran, die Uhr wieder zurück zu drehen. All die Errungenschaften der sozialen Marktwirtschaft, die alle Menschen eines Landes am Wohlstand des Landes teilhaben ließ und die Grausamkeiten des Kapitalismus milderten, werden heute unter Schlagworten wie "Eigenverantwortung" und "Freiheit" in Frage gestellt - und sorgen damit für die Ungerechtigkeiten, gegen die die Protestanten zu Recht auf die Straße gehen.
Mit ihrem Protest sind die Demonstranten also nicht dafür, die "Auswüchse" des Kapitalismus zu reduzieren - denn der Kapitalismus ist nie und nimmer sozial -, sondern sie sind dagegen, dass neoliberale Ideologen die Solidargemeinschaft immer weiter zerschlagen und die Menschen dem Egoismus und der Gier einer Minderheit wieder schutzlos ausgeliefert sind. Kurz, sie sind dagegen, dass unser System der sozialen Marktwirtschaft gegen ein System des Kapitalismus ausgetauscht wird, das auch ohne "Auswüchse" menschenverachtend ist.
J.E.
red horse am 16. Oktober 11
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Privatsphäre - für die richtigen Bürger
Da war die Aufregung diese Woche groß: Wie der Chaos Computer Club mitteilte, setzt die Polizei doch tatsächlich sogenannte Trojaner ein, kleine Computerprogramm, die unbemerkt Informationen über den infizierten Computer nach außen kommunizieren. Man kennt so etwas schon vom Banking: Trojaner wurden gerne von Kriminellen eingesetzt, um die Zugangsdaten auszuspähen. Nun späht auch der Staat. Das darf er unter bestimmten Bedingungen auch, wenn es darum geht Verbrechen aufzuklären.
Nur konnte der "Bundestrojaner" wohl deutlich mehr, als die Polizei erlaubt. So fertigte er alle paar Minuten einen Screenshot an und überwachte auch die Tastatureingaben. Zudem ermöglichte es der Bundestrojaner, andere Programme einzubinden, die die Kamera oder das Mikrofon des Rechners aktivierten und so eine Überwachung des Raums ermöglichten, in dem sich der Rechner befand.
Da dieses illegale Vorgehen unserer "Sicherheitsbehörden" nun öffentlich geworden war, musste man etwas tun. Und so beschloss der Innenminister Bayerns - hier war der Trojaner am häufigsten eingesetzt worden - die Nutzung dieses Programms bis auf weiteres einzustellen. Man wolle das Ergebnis der
Prüfung durch den bayerischen Datenschutzbeauftragten abwarten.
Nun gut, könnte man meinen, staatliche Behörden haben Mist gebaut, das wurde aufgedeckt, die Behörden halten sich jetzt zurück, und alles ist wieder in Ordnung, die Demokratie funktioniert, sie schützt die Privatsphäre des Menschen.
So könnte man meinen, wenn nicht Report Mainz in seiner Sendung vom 11.10.2011 über
die geplante Änderung des Beschäftigtendatenschutzgesetzes berichtet hätte. Da der Bundestrojaner die Gemüter so erhitzte, ging diese Meldung im Blätterwald unter und erreicht im Google News kaum 10 Treffer, während der Bundestrojaner spielend auf einige Tausend kommt.
In der Vergangenheit gab es bei der Telekom und der Deutschen Bahn Vorfälle, wo Verbindungs- oder Kontendaten von Mitarbeitern abgeglichen wurden. Bei anderen wie dem Discounter Lidl wurden die Mitarbeiter gleich per Video überwacht. All diese Aktionen waren verboten oder spielten sich im rechtlichen Graubereich ab. Um jetzt Klarheit zu schaffen, was sich ein Arbeitgeber seinen Mitarbeitern gegenüber denn nun erlauben kann und was nicht, soll das Beschäftigungsdatenschutzgesetz geändert werden - und all die Aktionen, die bisher verboten waren, werden mit einem Male legal.
So ist es nun möglich, dass Arbeitgeber "unter bestimmten Voraussetzungen die Inhalte von E-Mails ihrer Arbeitnehmer auswerten, mehr Videoüberwachungsmaßnahmen am Arbeitsplatz zur Qualitätssicherung installieren und vor allem großflächige, verdachtsunabhängige Datenabgleiche, sogenannte Screenings, über alle Beschäftigten vornehmen" dürfen, wie Report Mainz in einer
Presse-Mitteilung schrieb.
Sollte dies Gesetz werden, dann dürfte der Arbeitgeber tiefer in die Privatsphäre seiner Mitarbeiter eindringen als dies der Staat darf. Aber das ist eben das neoliberale Grundverständnis unserer Zeit: Wenig Rechte für den Staat, viel Rechte für den Bürger. Zumindest für die richtigen Bürger, die wo die Macht im Lande haben, weil ihr Konto gut gefüllt ist...
K.M.
red horse am 14. Oktober 11
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Die Euro-Rettung ... für die Banken
Wir haben in Europa ein riesiges Problem: Staaten wie Griechenland oder Portugal haben jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt und sind nun so verschuldet, dass sie, wären sie ein Unternehmen, in die Insolvenz gehen müssten. Doch es scheint erklärter politischer Wille zu sein, kein Mitgliedsland des Euroraumes in die Insolvenz gehen zu lassen - der Euro hätte seinen Ruf als Pleitewährung weg und würde vielleicht nicht mehr richtig ernst genommen. Also gründet man Hilfsfond nach Hilfsfond und stockt momentan den Rettungsschirm für die armen Länder deutlich auf. Der deutsche Bundestag gab erst
Ende September seine Zustimmung dazu.
Doch die Euro-Rettung, also die Hilfen für die überschuldeten Mitgliedsstaaten des Euro, hat noch einen zweiten Aspekt: Praktisch alle europäischen Großbanken (an die nicht-europäischen denken wir mal nicht) haben in der Vergangenheit Unmengen von Staatsanleihen von diesen überschuldeten Ländern gekauft - schließlich war die Rendite hoch. Diese Staatsanleihen verlieren aber nun an Wert - und sollte Griechenland oder ein anderes Land gar Pleite gehen, wären sie völlig wertlos. In diesem Fall würde auch die Bank, die ihr Geld dereinst großzügig in diesen Anleihen angelegt hat, nicht mehr lange leben.
Und so erleben wir gerade das gleiche Szenario wie nach der Lehman-Pleite: Die Banken unterstellen sich gegenseitig, dass sie zu viele schlechte Papiere im Portfolio haben, dass das Risiko eines Bankrotts zu groß ist - und deshalb leihen sie sich gegenseitig kein Geld mehr, sondern parken das Geld lieber bei der Zentralbank, die nun händeringend alles tut, um wieder
Geld in den Finanzmarkt zu pumpen.
Eine beliebte Maßnahme dabei ist das schon seit geraumer Zeit laufende Anleihenkaufprogramm. Während die EZB und die diversen Rettungsschirme - also wir Steuerzahler - immer mehr Staatsanleihen der Krisenländer übernehmen, stoßen die Banken diese Papiere im großen Stil ab. So haben europäische Banken schon in der Vergangenheit im großen Stil
griechische Anleihen verkauft, und sie entledigen sich auch allgemein, wie die deutschen Banken,
der Anleihen aller potentiellen Krisenländer.
Während man den Bürgern also erzählt, dass mit den diversen Rettungsschirmen schon alles gut wird und niemand in die Insolvenz gehen muss, glauben die Banken eher, dass die Staatsanleihen der Krisenländer bald nichts mehr wert sein werden. Warum sonst sollten sie sich gegenseitig wegen des Staatsanleihen-Portfolios misstrauen und auf Teufel komm raus versuchen, die Staatsanleihen los zu werden?
Wir haben es hier wohl mit einem ziemlich hinterhältigen Spiel zu tun: Während die Politiker sich auf der Bühne um die Rettungsschirme streiten - die auf Dauer nichts retten werden, also keine Insolvenz vermeiden werden - doch mit ihrem Getöse für eine laute Ablenkung sorgen, schaffen die Banken hinter der Bühne ihren Müll zur Seite, den sie wieder einmal in der Hoffnung angehäuft haben, große Renditen mit ihm erwirtschaften zu können, ganz so, als handele es sich bei unseren Banken um Mitgliede der neapolitanischen Mafia.
Es ist also wieder das gleiche Spiel: Wenn Banken sich verspekulieren, dann muss der Steuerzahler eintreten. Nur hat man nach der letzten Finanzkrise gelernt, dass der Wähler es nicht goutiert, wenn man Banken das Geld direkt in den Hintern schiebt - also erlaubt man ihnen nun, sich das Geld heimlich zu holen, während man die Bevölkerung mit dem Trauerspiel "Wir retten den Euro" ablenkt.
Ist es nicht eine Ironie der Geschichte, dass wir dieses hinterhältige, undemokratische Vorgehen gerade jetzt erleben, wenn das Mutterland der Demokratie im Fokus steht?
J.E.
red horse am 06. Oktober 11
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Die Milchmädchenrechnung der Frau von der Leyen
Da soll man doch mal sagen, die mehrmals täglich stattfinden Talk-Shows hätten keine interessanten Beiträge mehr zu bieten. Zum Ende der gestrigen (2.10.2011) Talk-Runde bei Günther Jauch zum Thema "Alte an die Arbeit! Können wir uns Rentner noch leisten?" kam es zu einem bemerkenswerten Wortwechsel zwischen der Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Frau von der Leyen, auf der einen Seite und dem Historiker Götz Aly und dem Politiker Oscar Lafontaine auf der anderen Seite. Ausgangspunkt war die Vorstellung des Schweizer Rentenmodells in einem kurzen Filmbeitrag. Herr Aly und Herr Lafontaine befürworteten dieses Modell auch für Deutschland, Frau von der Leyen kanzelte es als "Milchmädchenrechnung" ab.
Worum geht es? Die Schweiz hat vor einigen Jahren ein
3-Säulen-Modell aus dem klassischen Umlageverfahren, beruflicher Vorsorge und privater Vorsorge eingeführt. Besonders der schweizerische Ansatz für die klassische Rentensäule führte zu dieser lebhaften Diskussion. Hier gibt es zwei markante Unterschiede zur Situation in Deutschland: Bei der schweizerischen Rente zahlen alle ein, und es gibt keine Beitragsbemessungsgrenze.
In Deutschland ist es so, dass sich die Wohlhabenden vor der Solidargemeinschaft drücken können. Selbstständige, Beamte (hier interessieren natürlich nur die gutverdienenden Beamten) und die, die nur von ihrem Vermögen leben, müssen gar nicht erst in die Rentenkasse einzahlen, die gutverdienenden Angestellten, die dennoch einzahlen müssen, zahlen nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze von derzeit 5500 Euro im Monat, jeder weiterer Verdienst wird nicht zur Finanzierung der Rente herangezogen.
Die Schweiz hat diese Schlupflöcher geschlossen. Hier muss jeder zahlen, egal wie er sein Geld verdient, egal wie viel er verdient. Die älteren Herren der Runde hielten dies für eine gute Idee und forderten die Einführung des Schweizer Modells auch in Deutschland. Frau von der Leyen lehnte dies ab, mit der Begründung, dass dies eine Milchmädchenrechnung sei; denn wenn mehr Leute einzahlten, dann hätten auch mehr Leute Anspruch auf Rente, unter dem Strich ändere sich nichts.
Hm, dem mag man erst einmal nicht widersprechen, wenn es da nicht ein kleines Detail zur schweizerischen Rente gäbe, das auch im Filmbeitrag angesprochen wurde: Die maximale Rente liegt bei gut 2000 Franken. Egal wie viel man einzahlt, man bekommt nur die maximale Rente. In dem Filmbeitrag wurde dies am Beispiel eines Gutverdieners gezeigt, der jedes Jahr 100.000 Euro in die Rentenkasse einzahlt - am Ende jedoch nur knapp 22.800 Euro Rente pro Jahr in der Schweiz bekommt. Das Schweizer Modell sorgt also für eine gewollte Umverteilung von oben nach unten.
Damit ist Frau von der Leyens Einwand, die Vergrößerung der Zahl der Beitragszahler verändere nichts am System und sei nur eine Milchmädchenrechnung, natürlich vom Tisch; denn es wird nicht nur die Zahl der Beitragszahler vergrößert, die Zahl der Beitragszahler wird gerade um den Personenkreis vergrößert, der besonders viel verdient - doch dieser Kreis erhält dann nicht eine entsprechend hohe Rente, sondern nur einen maximalen Betrag. Es kommt also deutlich mehr Geld ins System.
Wie kommt Frau von der Leyen dann dazu, von einer Milchmädchenrechnung zu sprechen? Als Süddeutscher möchte man das Schulsystem des Nordlichtes von der Leyen beschuldigen. Doch wahrscheinlich ist der Grund viel banaler: Frau von der Leyen betreibt eine rücksichtslose Klientelpolitik, die darin besteht, ein paar Prozent Gutverdiener davor zu schützen, sich in die Solidargemeinschaft einbringen zu müssen. Wieso das zum Wohle des Volkes ist, kann man nur schwer verstehen.
K.M.
red horse am 03. Oktober 11
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