Samstag, 10. März 2012
Gesetze? Wozu? Sind wir etwa verdächtig?
Was haben Länder wie Syrien, Somalia und Deutschland gemeinsam? Richtig, in all diesen Ländern können Abgeordnete sich bestechen lassen, ohne rechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen. Zwar gibt es seit 2005 eine UN-Konvention gegen Abgeordnetenbestechung, die mittlerweile in 150 Ländern umgesetzt wurde - nur eben nicht in Deutschland.

Anfang März unternahm die SPD mal wieder einen Versuch, diesen Umstand zu korrigieren und brachte ein Gesetz zur Abgeordnetenbestechung in den deutschen Bundestag ein. Die Debatte war hitzig, und das Ergebnis eindeutig: Ne, sowas wollen wir nicht.

Der Abgeordnete Jörg van Essen (FDP) wies darauf hin, "dass es im Kampf gegen Korruption wichtig sei, Abgeordnete zu haben, die finanziell nicht von der Politik abhängig seien." Wohlgemerkt: Das sollte ein Argument gegen die Notwendigkeit eines Abgeordneten-Korruptionsgesetzes sein.

Einen Schritt weiter ging der Abgeordnete der CSU, Wolfgang Götzer. Dieser warnte, "dass bei einer Verschärfung alle Abgeordneten unter Generalverdacht gestellt würden." Nach dem Motto: Beweist uns doch erst mal, dass viele von uns korrupt sind, dann könnt ihr ruhig ein Gesetz dagegen erlassen.

Warum gibt es dann eigentlich Gesetze gegen Diebstahl oder Mord? Diese Verbrechen werden doch auch nur von einer Minderheit begangen. Beweist uns doch erst mal, dass wir alle Diebe sind, dann dürfte ihr Gesetze gegen den Diebstahl erlassen...

Manch ein Abgeordneter legt hier ein eigenartiges Rechtsverständnis an den Tag. Oder hätte er durch so ein Gesetz etwas zu befürchten? Den Generalverdacht, den Herr Götzer vermeiden wollte, ruft er durch seine unbedachte Äußerung erst hervor. Es ist vielleicht doch keine gute Idee, wenn man Schafen erlaubt, die Regeln selber festzulegen, nach denen sie die Wiese abfressen dürfen...
K.M.



Samstag, 25. Februar 2012
Der Mythos des freien Handels
Der freie Handel ist das Lieblingskind unserer Ökonomen: Über Angebot und Nachfrage bildet sich im freien Spiel der Kräfte ein fairer Preis für eine Ware oder Dienstleistung. Mischt sich der Staat mit Reglementierungen ein, dann spiegelt der so entstandene Preis die Marktsituation noch nicht einmal ansatzweise wieder - und er ist entweder viel zu hoch oder viel zu niedrig. Soweit die Theorie.

In der Praxis sieht es eher so aus, dass Firmen, wenn sie sich unbeobachtet glauben, blitzschnell Kartelle bilden, um den Preis nach ihrem Gusto festsetzen zu können - und das freie Spiel der der Kräfte durch das Recht des Stärkeren ersetzen.

Oder man erzeugt völlig unverständliche Produkte, wie die Derivate, die die Weltwirtschaft 2008 in die Krise gerissen haben, und verlangt für den Schrott Mondpreise, weil eh niemand versteht, dass er hier nicht wertvolles, sondern nur Müll bekommt.

Der letzte Clou ist es, die Versorgungssicherheit mit Strom in Deutschland aufs Spiel zu setzen, nur um ein paar Euro extra zu verdienen. So haben die Stromhändler nach einem Vorwurf der Bundesnetzagentur Anfang Februar nicht den Bedarf eingekauft, den ihre Kunden tatsächlich benötigt hätten, sondern deutlich weniger. Schließlich war der Strom zu dieser Zeit wegen der Kältewelle in Europa und dem riesigen Bedarf in Frankreich deutlich teurer als sonst. Dieser fehlende Strom musste dann mit der für Notfälle vorgesehenen Regelleistung ausgeglichen werden, die den hübschen Vorteil hatte, dass sie deutlich günstiger zu bekommen war als der Strom an den Strombörsen. Dies hatte zur Folge, dass die Sicherheitsreserve Anfang Februar für mehrere Tage fast aufgebraucht war. Wäre in dieser Zeit ein Kraftwerk ausgefallen, dann hätte es in Deutschland einen großflächigen Blackout gegeben. Aber hätten die Händler sich regulär über die Börse mit Strom eingedeckt, dann hätten sie ja nicht die hübschen Gewinne einfahren können.

Als der Staat noch die Finanzgeschäfte und den Stromhandel kontrollierte, hatte es solche Auswüchse nicht gegeben, bei denen eine Minderheit sich auf den Kosten einer Mehrheit bereichern konnte. Doch jetzt ist der Handel frei.

Es ist nur Schade, dass er sich nicht an die hübschen und mathematisch ausgefuchsten Theorien der Ökonomen hält.
J.E.



Samstag, 18. Februar 2012
Arbeitet endlich mehr!
Ökonomen scheinen sich für Auguren zu halten, die die Zukunft vorhersagen können. Und wie bei der Offenbarung des Johannes sind die Zukunftsaussichten für Deutschland seit Jahren eher apoklyptischer Natur. So hat die OECD vor kurzem eine Studie veröffentlicht, nach der Deutschlands Wohlstand in Gefahr ist. So sei das langfristige, durchschnittliche Wachstum hierzulande mit 1,5 Prozenz schon niedrig, mittelfristig drohe es aber, auf 1 Prozent zu sinken. Wir werden alle arm!

Ne, Quatsch, wenn die Wirtschaft noch wächst, dann werden wir auch reicher. Die Mehrheit der Deutschen wird nur deshalb ärmer, weil die Regierung mit ihrer neoliberalen Politik den Zuwachs an Reichtum nicht mehr gerecht an alle Bürger verteilt.

Aber was kann man nach Einschätzung der OECD-Ökonomen dagegen tun, dass die Wirtschaft nur noch marginal wächst? Die Lösung ist einfach: Wir müssen endlich mehr arbeiten. So sollen "mehr Frauen in Beschäftigung und vor allem Vollzeitbeschäftigung" gebracht werden. Um das zu erreichen, solle die "kostenlose Mitversicherung von Ehepartnern, die nicht arbeiten, in der gesetzlichen Krankenversicherung ... abgeschafft werden, das schaffe Anreize für die Ehepartner, ebenfalls zu arbeiten."

Aber nicht nur die Frauen sind faule Säcke, die sich vor der Arbeit drücken, auch unsere Alten sollen endlich mehr arbeiten. "Auch für ältere Arbeitnehmer sollte es attraktiver werden, länger im Beruf zu bleiben. Dafür sei allerdings ein Umbau des Rentensystems nötig: Die Ökonomen empfehlen, dass bei der Berechnung der Rente künftig die letzten Berufsjahre besonders stark zählen sollten. Dann hätten Arbeitnehmer einen Anreiz länger im Beruf zu bleiben, weil sie ansonsten erhebliche Einschnitte bei der Rente befürchten müssten." Von wegen Frührente und dann mit fünfzig auf Mallorca! Das war einmal!

Aber Moment: Ist es nicht so, dass gerade ältere Menschen von Firmen vevorzugt aussortiert werden und dann keinen neuen Job mehr finden? Ist es nicht so, dass der einzige Wachstumsbereich in Deutschland der Niedrigohnsektor ist, wo die Menschen in prekären und zeitlich befristeten Beschäftigungsverhältnisse gerade so um die Runde kommen? Die OCED-Ökonomen unterstellen den Deutschen, dass sie nicht arbeiten wollen, dabei können sie nicht arbeiten, weil es in unserer hochtechnisierten Servicewüste kaum noch ausreichend Jobs gibt. Es ist ja nicht so, dass ein riesiges Angebot an anständig bezahlten Arbeitsplätzen auf eine nicht vorhandene Nachfrage stößt, die man durch Einschnitt im Sozialsystem, durch die man die faulen Schnorrer zum Arbeiten treibt, erhöhen kann. Vielmehr stößt eine große Nachfrage nach guten Jobs auf ein kaum vorhandenes Angebot. In einer solchen Situation auch noch Einschnitte im Sozialsystem vorzuschlagen, ist schon eine ziemliche Frechheit.

Wenn man schon die Zukunft vorhersagen will, dann sollte man sich doch erst etwas mit der Gegenwart bschäftigt haben.
J.E.



Samstag, 11. Februar 2012
Der Fall Griechenland
Griechenland ist das Sorgenkind Europas. Wird man das völlig überschuldete Land noch retten können? Wird es in die Insolvenz gehen? Noch ist alles offen. Sicher ist nur, dass wir kein weiteres Geld mehr geben wollen und die Griechen hart sparen sollen. Obwohl wir andererseits der Meinung sind, dass sich eine kriselnde Wirtschaft nur erholen kann, wenn man sogar noch mehr Geld in die Wirtschaft steckt. Aber Keynes Ratschläge gelten leider nur für Länder, die noch kreditwürdig sind.

Um Griechenlands Finanzen in den Griff zu bekommen, soll sogar ein "Sparkommissar" installiert werden. Dieser Vorschlag fiel nicht gerade auf Wohlgefallen. Bei Demonstrationen gegen die Sparpolitik in Griechenland wurden schon Nazi-Symbole gezeigt. Und die satirische Nachrichtensendung Les Guignols des französischen Fernsehens lässt bei den "Mitteilungen des Staatspräsidenten" direkt die deutsche Bundeskanzlerin auftreten. Am deutschen Wesen...

Sicher, unsere europäischen Nachbarn haben Fehler gemacht. So scheint es gerade in Griechenland relativ einfach zu sein, Millionen am griechischen Fiskus vorbei zu schleusen, wie die vor kurzem veröffentlichte Steuersünderdatei zeigt, nach der etwa 15 Milliarden Euro Steuern offen sind - etwa 7% des Bruttoinlandsprodukts. Doch auch in Deutschland werden Steuern hinterzogen. Und: Auch Deutschland konnte mehrmals in der jüngsten Geschichte seine Schulden nicht bezahlen. Deshalb die Hyperinflation Anfang der 1920er Jahre oder der Schuldenschnitt des Londoner Schuldenabkommens von 1953.

Aber was schert uns die Vergangenheit: Heute steht Deutschland glänzend da (wenn man mal das permanente Reißen der Maastricht-Kriterien ignoriert). Da kann man ruhig den arroganten Oberlehrer heraushängen lassen. Denn schließlich wird es für Deutschland nie mehr harte Zeiten geben. Ganz sicher nicht. So hoffen wir.

Doch die Geschichte neigt zu Wiederholungen. Und wir sollten aufpassen, dass aus dem Fall Griechenland dann kein Fall Deutschland wird; denn dieser Fall könnte tief sein.
K.M.



Samstag, 4. Februar 2012
Rechtsfreier Raum
Der Westen ist ja auf so manches stolz. Dazu gehört auch, dass die westlichen Demokratien ein Rechtsstaat sind - die Gesetze gelten für alle und jeden, für Reiche wie für Arme, für Starke wie für Schwache. Na ja, so lautet zumindest die Theorie.

Der US-amerikanische Supreme Court hat in einer bemerkenswerten Entscheidung Mitte Januar 2012 entschieden, dass religiöse Institute in den USA ein weitgehend rechtsfreier Raum sind. In dem Fall ging es um einen Lehrer, der wegen seiner Behinderung von einer Schule der Lutheraner gefeuert worden war. Nach amerikanischem Recht darf niemand wegen einer Behinderung diskriminiert werden. Doch Kirchen besitzen nun, wie das Oberste Gericht festgestellt hat, Narrenfreiheit.

Wir brauchen aber nicht erst in die USA zu gehen, um uns zu sehen, dass religiöse Institute Sonderrechte haben. So gilt zwar für Mitarbeiter in kirchlichen Einrichtungen in Deutschland das allgemeine Arbeitsrecht - aber mit erheblichen Abweichungen. So kann die Kirche Kündigungen aussprechen, wenn der Mitarbeiter einen Lebenswandel führt, der nicht mit den Dogmen der Religion vereinbar ist - wie eine Scheidung oder den Austritt aus der Kirche. Sie kann dem Mitarbeiter aber auch kündigen, wenn er sich gegen die Dogmen der Kirche ausspricht, indem er z.B. für die Abtreibung eintritt. Eigentlich gilt das Recht in einem Rechtsstaat für alle. Doch die Kirche ist ja nicht von dieser Welt.

Geht es andererseits darum, dass die kirchlichen Einrichtungen ihr Handeln an den eigenen religiösen Grundsätzen ausrichten sollten, zeigen diese sich mit einem Male ungewohnt großzügig. So hat das Diakonische Werk der evangelischen Kirchen überhaupt kein Problem damit, eine firmeneigene Leiharbeitsfirma, die Dia Logistik, zu gründen, um über sie Mitarbeiter zu Hungerlöhnen zu beschäftigen. Auch der "Wohlfahrtsverband" der katholischen Kirche, die Caritas, gibt sich viel Mühe, die Löhne ihrer Mitarbeiter zu drücken.

Was dies mit Nächstenliebe zu tun hat, erscheint auf den ersten Blick nicht klar. Auf den zweiten müssen wir an Markus 10,25 denken: "Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt." Und nun verstehen wir, dass die Kirchen ihrer Mitarbeiter nur deshalb mit Dumping-Löhnen abspeisen wollen, weil sie um deren Seelenheil besorgt sind. Und wir dachten schon, es zeuge von Skrupellosigkeit.
P.H.



Samstag, 28. Januar 2012
Betrügen lohnt sich
Betrügen, so glauben wir doch, ist ein Verbrechen. Wer einen anderen mit der Absicht auf persönliche Bereicherung täuscht, der gehört bestraft. So sieht es zumindest der gesunde Menschenverstand. Aber was weiß der schon von unserem Rechtssystem...

Unsere Richter scheinen hier ein anderes Verständnis zu haben. So führte Heidrun S. den Hilfeverein "Kinder in Not" wie ein Familienunternehmen, dessen Gewinne - sprich Spenden - fast völlig für den eigenen Lebensunterhalt eingesetzt wurden, auch wenn die Homepage des Vereins sich vollmundig mit guten Taten schmückte - die jedoch andere vollbracht hatten. Im Laufe der Jahre veruntreute Heidrun S. mit ihrer Familie knapp 5 Millionen Euro - und wurde dafür dann schwer bestraft: Sie bekam zwei Jahre auf Bewährung und musste eine Strafe von gut 50.000 Euro bezahlen. Das veruntreute Geld musste sie nicht zurückzahlen. Es war ja auch schon alles ausgegeben - wie könnte man es dann noch zurückfordern? Unter dem Strich hat ihr der Schwindel also etwa 5 Millionen Euro eingebracht. Und sie musste noch nicht einmal ins Gefängnis.

Aber nicht nur Einzelpersonen betrügen, sondern ganze Firmen. Man denke nur an die Leiharbeitsbranche. Eigentlich sollte diese ihren Angestellten ja genauso viel zahlen, wie die festangestellten Kollegen in den Betrieben verdienen. Eine Ausnahme war nur möglich, wenn es einen Tarifvertrag mit einer Gewerkschaft gab, der eine Abweichung von dieser Regel erlaubte. Denn, so dachte der Gesetzgeber, welche Gewerkschaft würde denn, abgesehen von wirklichen Notfällen, einer solchen Ausnahme zustimmen?

Aber zum Glück gibt es ja die Christen, die auch noch die zweite Wange hinhalten, wenn man ihnen schon was auf die erste gab. Nur so kann man erklären, wieso die christliche Gewerkschaft CGZP völlig unproblematisch Tarifverträge mit zahlreichen Leiharbeitsfirmen abschloss, in denen Hungerlöhne für die Arbeiter die Norm waren. Dumm nur, dass das Bundesarbeitsgericht im Dezember 2010 dieser Gewerkschaft die Tariffähigkeit absprach, weil sie nun einmal so gut wie gar keine Arbeiter vertrat. Damit waren die Tarifverträge ungültig, die Gesetze galten, und die Arbeiter konnten das ihnen vorenthaltene Einkommen zurückfordern und der Staat die zu wenig gezahlten Sozialbeiträge. Die Leiharbeiterbranche sieht sich nun mit Millionenforderungen konfrontiert - und müsste doch tatsächlich das aufwendig ergaunert Geld wieder zurückzahlen.

Doch was der kleine Spendenbetrüger nicht muss, dass sollen doch auch große Leiharbeitsfirmen nicht müssen. Das scheint zumindest der Wirtschaftsflügel der Union zu denken. Dieser fordert "Vertrauensschutz" für die Leiharbeitsfirmen, die doch im festen Glauben daran, es mit einer echten Gewerkschaft zu tun zu haben, diese Tarifverträge abgeschlossen hätten. Gut, dass seit spätestens 2006 die Tariffähigkeit der CGZP in Frage steht, muss einen Unternehmer ja nicht kümmern. Wie schon die Banken, so scheinen auch die Leiharbeitsfirmen volles Risiko zu fahren - und dann darauf zu hoffen, dass der Staat ihnen schon unter die Arme greift.

Da haben die Neoliberalen doch ausnahmsweise mal recht: Unser Sozialstaat ist wirklich überdimensioniert. Und wenn Ihre Kinder mal nicht wissen, was sie werden wollen: Millionenbetrüger ist ein Job mit Zukunft und ohne jedes Risiko.
P.H.



Samstag, 14. Januar 2012
Juhu, 'ne neue Steuer!
Auf eine Sache kann man sich bei unseren Politikern ja verlassen: Wenn es darum geht, Geld aus den Taschen der Bürger zu ziehen, dann zeigen sie eine ungeahnte Kreativität. So haben einige Städte wie Köln eine sogenannte Bettensteuer eingeführt, bei der Hoteliers eine bestimmte "Kulturförderabgabe" pro Gast an die Stadt zahlen müssen. Bonn hat auf dem Straßenstrich einen Automaten aufgehängt, an dem die Prostituierten jeden Abend ein Ticket ziehen müssen, damit sie sich an die Straße stellen dürfen. Und nun ist schon wieder eine neue Steuer im Gespräch: Die Finanztransaktionssteuer.

Natürlich gibt es hier auch schon wieder kritische Stimmen, die diese hübsche Idee für zusätzliche Steuereinnahmen madig machen wollen. Besonders die FDP gab zu bedenken, dass unter dieser Steuer, die auf Aktien-, Anleihen- und Derivategeschäfte erhoben werden soll, gerade die Kleinsparer leiden werden, da die Banken diese Kosten ja direkt auf die Kunden umlegen würden. Es ist wirklich beschämend, dass Mutti, wenn sie gerade bei Aldi ein paar Euro gespart hat, diese in Zukunft nicht mehr in Derivategeschäfte stecken kann, weil die paar Kröten komplett für die Bankgebühren draufgehen werden.

Oder ist es nur "verwunderlich" zu sehen, was aus Sicht der FDP "Kleinsparer" sind? Wahrscheinlich hängt am Eingang ein Schild: "Kleinsparerverein FDP, Mindesteinkommen: 1 Million Euro pro Jahr".

Im Gegenteil, diese Steuer würde gerade diejenigen Treffen, die mit diesen "Massenvernichtungswaffen" (so die Investmentlegende Warren Buffet) ihr Geld verdienen. Denn diese leben davon, dass sie irrsinnige Geldsummen bewegen und dann hier ein Promille und dort drei Promille Gewinn machen, und die Anlagen sofort wieder verkaufen. Wenn bei jedem Verkauf 0,1 - 1 Promille an Steuern bezahlt werden müssen, dann lohnt sich der ganze Aufwand natürlich nicht mehr - es bliebe ja alles beim Staat.

Und das ist der eigentliche Sinn einer Finanztransaktionssteuer: Unsinnige Spekulationsgeschäfte, die nur Blasen erzeugen, sollen damit verhindert werden. Wenn diese Steuer wirklich erfolgreich ist, dann verhindert sie die Geschäfte, die sie besteuern will, und die Einnahmen des Staates bewegen sich nahe Null.

Und das wäre doch mal wirklich mal eine Steuer, für die man sich begeistern könnte.
J.E.



Samstag, 24. Dezember 2011
Alle Jahre wieder...
Alle Jahre wieder halten uns die Medien darüber auf dem Laufenden, wie groß der Umsatz im Weihnachtsgeschäft denn ausfällt - ob er so hoch ist wie im Vorjahr, ob er sogar höher ist, oder ob die Bürger dieses Jahr etwas knauserig sind.

Und alle Jahre wieder melden sich vor allem Kirchenvertreter zu Wort, die uns ermahnen, Weihnachten nicht zu einem reinen Kommerzfest verkommen zu lassen, so wie dies der Vorsitzender der katholischen deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, gerade wieder tat, als er sagte: "Wenn der Sinn von Weihnachten auf Geschenke gelegt und Kommerz reduziert wird, ist das eine Fehlentwicklung."

Weihnachten, das wissen schon unsere Kinder, feiern wir die Geburt Christi. Was viele aber nicht mehr wissen: Noch vor einigen Jahrhunderten war Weihnachten ein eher unbedeutendes Fest. Die Menschen freuten sich viel mehr auf den 6. Dezember, den Tag des Heiligen Sankt Nikolaus, wo man sich gegenseitig Geschenke machte. Erst Martin Luther und die Protestanten sprachen sich gegen die in ihren Augen blasphemische Heiligenverehrung der katholischen Kirche aus und setzten sich dafür ein, sich doch lieber zu Weihnachten, dem Geburtstag Christi, gegenseitig Geschenke zu machen.

Der Rest ist Geschichte, wie es so schön heißt: Nachdem Weihnachten ohnehin schon zum offiziellen Datum für gegenseitiges Beschenken erkoren wurde, tat die Konsumgüterindustrie ihr möglichstes, ein breites Panoptikum an Geschenken bereit zu stellen. Aus dem Heiligen Nikolaus wurde in den englischsprachigen Ländern der Santa Claus und in Deutschland der Weihnachtsmann, der den Kindern die Geschenke bringt - wenn nur die Eltern vorher dafür bezahlt haben. Und Coca-Cola schaffte es, mit ihrer Werbefigur des Santa Claus und Millionen an Werbegeldern das idealtypische Abbild für den modernen Weihnachtsmann mit langem weißen Bart und rotem Anzug zu schaffen.

Weihnachten, so wie wir es heute feiern, ist eine Schöpfung der Geschenkeindustrie; unser modernes Weihnachten definiert sich über Geschenke und Kommerz. Zu fordern, dass man den Sinn von Weihnachten nicht auf den Kommerz reduzieren solle, ist ungefähr so sinnvoll, wie zu fordern, dass es nachts nicht dunkel werden soll.

Was aber niemanden daran hindern soll, es dennoch zu versuchen.
P.H.



Dienstag, 6. Dezember 2011
Die Ökonomen feiern sich selber
Heute ist es wieder soweit: Am 10. Dezember werden in Stockholm die Nobelpreise verliehen. Alfred Nobel hatte diesen Preis für herausragende Leistungen auf den Gebieten der Physik, Chemie, Medizin, Literatur oder für den Frieden gestiftet. 1968 hatte die Schwedische Reichsbank anläßlich ihres 300-jährigen Bestehens einen Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften eingeführt. Allerdings muss die Frage erlaubt sein: Handelt es sich bei den Wirtschaftswissenschaften um eine Wissenschaft, oder ist es doch eher ein künstlerisches Fach wie die Literatur?

Die meisten Gewinner dieses Nobelpreises kamen aus den USA. Und gerade in den USA nahmen 1929 und 2007 die größten Wirtschaftskrisen der Neuzeit ihren Ausgangspunkt. Als Medizin gegen diese Krisen verordnen uns Wirtschaftswissenschaftler, die Nachfrage anzukurbeln - gleichzeitig aber zu sparen und Schulden abzubauen. Sie plädieren für niedrigere Steuern, weil die gut fürs Wachstum seien - und zugleich erlebten die USA und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg die höchsten Wachstumsraten, obwohl der Spitzensteuersatz damals bei 93% bzw. 56% lag - höher als zu je einer anderen Zeit. Und wenn man wirklich wissen will, wie sich die Wirtschaft entwickelt, dass muss man sein Geld auf die Aussagen irgendeines Außenseiters setzen, weil der Mainstream garantiert die falsche Prognose abliefert.

Betrachtet man diese Erfolgsbilanz der Wirtschaftswissenschaften, dann hätten sie sicherlich einen Karnevalsordern verdient - "Wider den tierischen Ernst" des Aachener Karnevalsvereins wäre dafür doch prädestiniert - aber sicher keinen Preis für herausragende wissenschaftliche Leistungen. Also handelt es sich bei den Wirtschaftswissenschaften um eine Kunstform? Nun, dichten scheinen die Vertreter dieser Zunft ja wirklich gut zu können... Aber für Literatur gab es ja schon einen Preis - warum brauchte es dann einen weiteren Preis für die Wirtschaftswissenschaften?

Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Wirtschaftswissenschaften die Wissenschaft nicht nur im Wort führen wollten, sondern dass sie das Bedürfnis hatten, wirklich ernst genommen zu werden. Und welcher Preis hat wissenschaftlich mehr Prestige als der Nobelpreis? Also spendierte ein typischer Sponsor dieser sogenannten Wissenschaft, eine Bank, flugs einen Nobelpreis, den man unter Seinesgleichen verleihen konnte, und schon wurde die Astrologie zur Astronomie und ein Wirtschaftswissenschaftler konnte sich als richtiger Wissenschaftler fühlen.

Doch auch dieses Kaisers neue Kleider verdecken das Elend nicht wirklich...
J.E.



Samstag, 3. Dezember 2011
Der verflixte Überschuss
Da hat sich das Europaparlament ja was Schönes geleistet: Es hat ein Gesetz gegen die wirtschaftlichen Ungleichgewichte in Europa verabschiedet. Dass eine negative Leistungsbilanz als Zeichen schlechten Wirtschaftens bestraft werden soll, versteht ja noch jeder. Aber das Europaparlament will jetzt auch, dass Länder, die zu viel Überschuss erwirtschaften mit Sanktionen rechnen müssen! Da war die Aufregung vor allem in Deutschland groß, und Finanzminister Schäuble hat mit seinen Kollegen der EU abgesprochen, dass diese Sanktionen zwar im Gesetz stehen würden, es aber praktisch nicht zu Sanktionen kommen würde.

Das kennt man ja schon vom Stabilitätspakt: Auch hier durfte die Neuverschuldungsgrenze von 3% des Bruttoinlandsproduktes nicht überschritten werden - doch als das Südland und der Stabilitätsanker Deutschland dies vor einigen Jahren mehrere Male tat, drückte die EU-Kommission beide Augen zu. Wer im Glashaus sitzt...

Aber zurück zur Forderung des Europaparlaments, dass man auch zu große Handelsbilanzüberschüsse verhindern will. Auf den ersten Blick hört sich das ziemlich unsinnig an. Da will man ein Land dafür bestrafen, dass es erfolgreich wirtschaftet und arbeitet. Auf so eine schwachsinnige Idee können auch nur politisierende, weltfremde Sesselpupser kommen.

Hm, leider kamen nicht nur politisierende, weltfremde Sesselpupser auf eine derart komisch Idee. Diese wurde auch zum Ende des Zweiten Weltkrieges von einem der einflussreichsten Ökonomen aller Zeiten, John Maynard Keynes, auf der Konferenz von Bretton Woods vertreten, auf der die wirtschaftliche Nachkriegsordnung geregelt wurde. Er forderte schon damals einen Ausgleich der Leistungsbilanzen. Damals waren die USA die führende Wirtschaftsmacht mit einem riesigen Überschuss - und sie reagierten genauso verständnislos auf diesen Vorschlag wie heute Deutschland.

Doch was steckt hinter dem Vorschlag? Nun, die einfache Feststellung, dass die weltweite Handelsbilanz ausgeglichen sein muss. Wenn einige Länder einen Überschuss erzielen, dann müssen andere Länder Defizite machen. Und wenn man nun einigen Ländern verbieten will, Defizite zu machen - können dann die anderen Länder ihre Überschüsse halten? Natürlich nicht, diese Vorstellung ist völliger Unsinn. Wenn man also Defizite verbieten will, dann muss man zwangsläufig auch Überschüsse verbieten, anders geht es nur, wenn man Mathematik im Taka-Tuka-Land gelernt hat.

Aber man setzt eine verhängnisvolle Spirale in Gang, wenn man sich einredet, man könne in einem Land Überschüsse steigern und zugleich in einem anderen Land Defizite reduzieren. Denn die Länder, die Defizite reduzieren sollen, können dies erst einmal nur, wenn sie deutlich billiger anbieten als die Länder, die heute Überschüsse produzieren. Billiger anbieten heißt fast immer niedrigere Löhne, heißt also ein niedrigerer Lebensstandard. Zugleich will das starke Land aber seine Überschüsse halten. Nun wächst ihm jedoch ein Konkurrent heran, der billiger ist. Also muss das starke Land ebenfalls die Löhne senken, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Gewinner gibt es in diesem Kampf keine.

Vielleicht ist die Idee des Europaparlaments, auch Länder mit einem zu großen Leistungsbilanzüberschuss zu bestrafen, also doch keine so blöde Idee.
J.E.