Freitag, 30. September 2011
Wer regiert hier eigentlich?
Am 29. September 2011 hat der Bundestag die Erweiterung des Euro-Rettungsschirms beschlossen, um, wie es überall heißt, die Märkte zu beruhigen.

Bei diesen Märkten handelt es sich natürlich um die Finanzmärkte - kein anderer Markt unserer Wirtschaft, sei es nun der Markt für Autos, Kaugummis oder Düsenjets - verhält sich derzeit so pubertär wie der Finanzmarkt. Er tut einfach, was er will, keine Regierung der Welt scheint in er Lage zu sein, dieses widerspenstige Kind zähmen zu können.

Wir müssen uns aber auch eingestehen, dass wir unser Kind "Finanzmarkt" sehr verzogen haben. Eine Aufsicht, was die Banken da mit zahllosen Derivaten und anderen "Massenvernichtungswaffen" (so die Investmentlegende George Soros) so trieben, gab es praktisch nicht. Und wenn sich das Kind dann ungezogen benahm und seine Nachbarn bedenkenlos schädigte - dann haben wir ihm hier und da noch die eine oder andere Milliarden zugesteckt, damit es weitermachen konnte.

Und die Finanzmärkte machten weiter. Die Spekulanten und Zocker zogen mit ihren Billionen von Land zu Land und investierten nur dort, wo man hohe Rendite erwartete, sprich, wo die Sozialsysteme angebaut, die Rechte der Arbeiter beschnitten und die Löhne gesenkt wurden. Der amerikanische Journalist Thomas L. Friedman beschreibt diesen Vorgang in seinem Buch "The Lexus and the olive tree" so: Unter rein ökonomischen Gesichtspunkten "testen" die Spekulanten die Effizienz der Wirtschaftspolitik. Länder, die nach den Kriterien der Spekulanten gut abschneiden, behalten das Geld, aus den anderen Ländern wird es abgezogen.

Die Folge dieses Vorgehens ist, dass die Staatslenker unserer Welt in der permanenten Angst leben, dass die Spekulanten eines Tages abziehen könnten - und deshalb Gesetze verabschieden, die im Sinne der Spekulanten sind, die die "Finanzmärkte beruhigen".

Wir mögen in den demokratischen Industrieländern zwar alle paar Jahre zur Wahl gehen, doch die eigentlichen Herrscher, die verzogenen Kinder der Finanzwirtschaft, stehen gar nicht zur Wahl. Es wird Zeit, dass die erwachsenen Staaten ihren Kindern wieder Grenzen aufzeigen. Der Finanzminister Wolfgang Schäuble sagte in der Debatte im Bundestag: "Die demokratische legitimierte Politik setzt die Regeln. Wir wollen besser regulierte Märkte". Man kann nur hoffen, dass es ihm ernst mit dieser Ankündigung war.
J.E.