Freitag, 18. Mai 2012
Zur Aktienkultur
Aktien, so lehren uns die Finanzgurus, sind ein wichtiger Bestandteil des Geldanlage-Portfolios - zumindest für die, die Geld haben, das sie anlegen können. Denn mit Aktien kauft man sich einen Anteil an einem Unternehmen. Sie sind damit fast so sicher wie eine Immobilie - aber nicht so teuer und viel leichter zu handeln. Statt Miete kassiert man die Dividende, und natürlich die fantastischen Wertsteigerungen der Aktien. Egal welchen Anlageberater man fragt: Nichts schlägt die Aktie an Wertsteigerung. Man muss nur den richtigen Zeitraum finden. Sonst käme man eventuell darauf, dass auch nichts die Aktie schlägt, wenn es um Wertvernichtung geht...

Die Anleger der Telekom-Aktie hofften auch auf eine saftige Wertsteigerung. Anfangs trat sie auch ein. Wir erinnern uns an die goldenen Zeiten des ausgehenden 20. Jahrhunderts, als jede Technologie-Aktie förmlich in den Himmel schoss, die Manager mussten das Vermögen der Firma nur
schnell genug verbrennen, davon, dass ein Unternehmen auch Gewinne machen sollte, war gar nicht mehr die Rede. In dieser Zeit begeisterten sich Millionen Deutsche für die Telekom-Aktie - und wurden bitter enttäuscht. Nach einem fulminanten Höhenflug ist sie heute weniger wert als am Ausgabetag. Deshalb klagten zahlreiche Anleger, weil sie sich vom Management betrogen fühlten. Doch nun verloren sie vor Gericht.

Das Trauerspiel um die T-Aktie hat der Aktienkultur in Deutschland geschadet, wie die Experten finden. Nun trauen sich immer weniger Deutsche, diese großartigen Wertpapiere zu kaufen. Aber sind das wirklich noch Wertpapiere, so wie die Theoretiker sich das gedacht haben? Man kauft sich einen Anteil am Unternehmen und profitiert von der Unternehmensentwicklung?

Heute dominieren nicht Anleger das Geschäft an den Börsen, sondern Spekulanten. Besonders die Hochgeschwindigkeitshändler kaufen und verkaufen riesige Aktienpakete in Sekundenbruchteilen. Der Wert der Aktien hat nichts mehr mit dem Wert des Unternehmens zu tun, sondern nur noch mit den Erwartungen der Spekulanten. Und seinen Höchststand vom 7. März 2009 hat der DAX-Kursindex bis heute nicht mehr erreicht. Die Aktien sind keine Geldanlage mehr, sondern reines Spekulationsobjekt. Wenn die Tragödie um die T-Aktie erreicht hat, dass die Deutschen dies verstehen, dann hatte sie doch ihr Gutes.
J.E.



Samstag, 12. Mai 2012
Wahlempfehlung
Schon wieder wird gewählt. Letzte Woche hat es Francois Hollande geschafft, Präsident Frankreichs zu werden. Wenn er in ein paar Tagen die Amtsgeschäfte übernimmt, wird sich zeigen, ob er wirklich etwas ändern kann in Europa, und die in ihn gesetzte Hoffnung gerechtfertigt war.

Die Wahl nun ist nicht ganz so bedeutsam, auch wenn Nordrhein-Westfalen allein aufgrund seiner Größe natürlich einen gewissen Einfluss in Deutschland hat. Allerdings lohnt es sich, mal einen Blick auf die deutsche Parteienlandschaft zu werfen und den Rheinländern und Westfalen eine Wahlempfehlung aus Bayern zu geben. Schließlich gilt für uns Bayern, was der gerade 70 Jahre alte gewordene Gerhard Polt mal so ausgedrückt hat: "Der Freistaat Bayern - das ist eine Demokratie. Kein Mensch hier bei uns wird gezwungen, eine Minderheit zu sein. Ein jedweder hat das Recht, sich zur Mehrheit zu bekennen."

Welche Parteien erfreuen denn die Wähler? Da haben wir die Union, die ihre Wurzeln vor allem in der religiösen Landbevölkerung hat. Nur, wer lebt heute noch auf dem Land? Und mit Religion haben viele Menschen auch nicht mehr so viel am Hut, da viele über die Kirche das denken, was die Erste Allgemeine Verunsicherung mal so schön in einem Lied getextet hat: "Es ist schon ein Skandel, dem Hergott sein Bodenpersonal." Und so zeigt sich die Union im Moment: Offen nach allen Seiten, weil sie selber gar nicht mehr weiß, wofür sie steht.

Die Liberalen scheinen sich gerade vor allem mit sich selber zu beschäftigen, wenn sie ihrer Klientel - Ärzten- Apothekern, Hoteliers - nicht Geldgeschenke machen. Eine Partei, die sich als wirtschaftsliberal gibt, um dann den Staat für egoistische Klientelpolitik zu missbrauchen, deklassiert sich selber.

Die SPD, der die Auguren immerhin vorhersagen, dass sie die Wahl in NRW gewinnen könnte, leidet immer noch an dem Verrat, den Genossen wie Schröder, Clement und Müntefering am sozialen Kern der Partei verübt haben. Immerhin war es die Regierung unter Schröder, die die Heuschrecken der Hedge Fonds in Land geholt und den Niedriglohnsektor, in dem immer mehr Menschen ausgebeutet werden, ausgebaut hat. Von diesem Verrat an den eigenen Idealen hat sich die SPD immer noch nie losgesagt. Aber wer soll sie dann wählen?

Die Grünen schützen die Umwelt und geben sich sozial. Doch mit der SPD betrieb Joschka Fischer die neoliberalste Politik, die je eine Bundesregierung in Deutschland betrieben hat. Heuchelei ist hier noch geschmeichelt. Ein Kreuzchen bei den Grünen ist auch nur etwas für die ganz harten.

Wie steht es um die Piraten oder die Linken? Eine Partei, die noch nicht weiß, was sie will, und eine Partei, die nicht weiß, ob sie sich von ihrer Vergangenheit wirklich lossagen soll. Hier macht man doch nur ein Kreuz, wenn man sich zufällig in die Wahlkabine verirrt hat und nicht so ohne weiteres wieder nach Hause gehen will.

Wahrscheinlich wird es in NRW wieder nur einen großen Sieger geben: Die Nichtwähler, die bei dieser Auswahl am politischen Buffet lieber zu Hause bleiben.
K.M.



Samstag, 5. Mai 2012
Die Schicksalswahl
Morgen sind wieder Wahlen. Auch in Schleswig-Holstein, doch die Frage, wie die FDP abschneidet, ist wahrscheinlich nur für den Parteivorsitzenden Rösler wichtig.

Von größerem Interesse ist die Frage, wer morgen bei der Wahl zum Staatspräsidenten in Frankreich siegreich sein wird. Alles deutet auf den Kandidaten der Sozialisten, Francois Hollande. Aber das, so ist man sich sicher, würde die Politik in Europa erschweren. Eine Politik, die in den letzten Monaten so weit von den Ansichten Deutschlands geprägt war, dass der Fraktionschef der Union, Volker Kauder, Ende 2011 auf dem Parteitag der CDU in Leipzig sagen konnte: "Europa spricht deutsch". Dabei müsste gerade Deutschland wissen, wie sehr die von heute Deutschland propagierte Politik der Wirtschaft schadet.

Es war in der großen Wirtschaftskrise nach dem Aktiencrash von 1929, als der Reichskanzler Heinrich Brüning seine Deflationspolitik betrieb, eine Politik der strikten Haushaltssanierung, bei der die Löhne und Preise gesenkt wurden. In den Geschichtsbüchern kann man nachlesen, dass diese Politik nicht nur die Krise in Deutschland verschärfte, sondern auch einer der Gründe war, weshalb die Nazis in Deutschland an die Macht kommen konnten.

Und genau das, was vor Jahrzehnten schon einmal alles andere als erfolgreich war, soll nun Europa aus der Krise helfen. So sagt zumindest die deutsche Politik. Zum Glück für Deutschland hält sich dieselbe Politik nicht an ihre eigenen Vorgaben, wenn sie Politik für Deutschland betreibt. So wurden über fünf Milliarden für die Kurzarbeit ausgegeben, für zwei Konjunkturpakete wurden in der Krise etwa 85 Milliarden Euro ausgegeben, und die Neuverschuldung nur des Bundes stieg im Jahr 2010 auf atemberaubende 44 Milliarden Euro. Sparen sieht anders aus.

Nun könnte mit Francois Hollande ein Politiker in Frankreich an die Macht kommen, der nicht länger Merkels Schoßhund spielt und einfordert, dass die schädliche Sparpolitik in Zeiten der Krise beendet wird. Der damit nur für Europa das einfordert, was das pharisäerhafte Deutschland für sich selber auch lebt.

Für Europa wäre es wichtig, dass die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt werden. Wir setzen auf Hollandes Sieg - und die Kraft sich gegen die unverantwortliche Politik dieser Bundesregierung durchzusetzen.
K.M.



Samstag, 28. April 2012
Phoebus lebt!
Wer war noch einmal Phoebus? Zum Glück gibt es Wikipedia: "Das Phoebuskartell bezeichnet ein Gebiets-, Normen- und Typenkartell, das im Dezember 1924 in Genf von den international führenden Glühlampenherstellern gegründet wurde." Die meisten Kartelle haben zum Ziel, den Preis für ein Produkt möglichst hoch zu halten. Phoebus nicht. Die Kartellmitglieder einigten sich vielmehr darauf, die Lebensdauer für Glühlampen möglichst niedrig zu halten. So gab es in den 1920er Jahren schon Glühlampen, die mehrere tausend Stunden brannten! Nicht auszudenken, wenn sich das durchgesetzt hätte! Irgendwann hätten die Kunden ihr ganzes Leben mit einer einzigen Glühlampe gelebt! Wo wäre denn da der Umsatz geblieben?

Also einigten sich die Mitglieder des Phoebuskartells darauf, die Lebensdauer einer Glühlampe auf 1000 Stunden zu beschränken. Die Firmen mussten auch regelmäßig Produktionsmuster abliefern, damit überprüft werden konnte, ob sie diese Vorgabe einhielte. Brannten die Birnen länger, dann mussten sie Strafe zahlen.

Im Jahr 1942 soll das Kartell beendet worden sein, als die US-Regierung Anklage gegen General Electric erhob. Bemerkenswerterweise ist es dennoch keinem Glühlampenhersteller in den folgenden Jahrzehnten gelungen, die Lebensdauer der Glühbirne auf mehr als 1000 Stunden zu steigern...

Jetzt brauchen sich die Hersteller darüber aber auch nicht mehr den Kopf zu zerbrechen. In der EU werden Ende des Jahres die letzten Glühbirnen verboten, die ersten Modelle sind schon seit September 2009 verboten. Sie werden durch Energiesparlampen ersetzt, für die die Industrie viel Werbung gemacht hat. Immerhin verbrauchen sie nur ein Fünftel so viel Strom wie die herkömmliche Glühbirne. Und das ist in Zeit der CO2-Verschmutzung sicher ein gewichtiges Argument.

Nachdem das Verbot der Glühbirne jedoch durchgesetzt war, tat sich jedoch merkwürdiges. Plötzlich kamen die Energiesparlampe in die Kritik. Erst warnte Ende 2010 das Umweltbundesamt vor dem Quecksilber in den Energiesparlampen; denn zerbrechen diese, so wird der Quecksilberrichtwert in der Luft um das 20fache überschritten.

Dann deckte das NDR-Magazin "Markt" auf, dass viele Energiesparlampen krebserregende Stoffe enthalten, die bei der Benutzung in die Atemluft freigesetzt werden - die Energiesparlampen brauchen dazu noch nicht einmal beschädigt zu sein.

Vor kurzem gab es eine Reportage auf 3sat zum Ende der Glühbirne. Während die Leuchtmittelhersteller keine Probleme hatten, den Reportern die Produktion der herkömmlichen Glühbirne und zukünftiger Leuchtkörper auf Halbeiterbasis zu zeigen, durften sie bei keinem Hersteller die Produktion von Energiesparlampen besichtigen. Ein aus Asien zugespielter Film zeigte dann auch, was wohl der Grund sein dürfte: Ohne ausreichenden Schutz werden hier die giftigen Stoffe wie das Quecksilber in die Lampen eingebracht. Die Arbeiter werden früh krankt und sterben jung. Aber Asiaten gibt's ja genug.

Ist es also wirklich in unserem Sinne, dass die Glühbirnen durch die Energiesparlampe ausgetauscht werden? Oder hat die Industrie hier wieder einen Standard geschaffen, der in ihrem Sinne sein mag, doch nicht im Sinne der Kunden? Lebt Phoebus immer noch?
J.E.



Samstag, 21. April 2012
Geistige Armut
Es ist Wahlkampf. Gut, in Deutschland mit seinen 16 Bundesländern ist ohnehin fast permanent Wahlkampf. Aber diesmal geht es um den Wahlkampf in Frankreich. Der konservative Präsident Sarkozy kämpft gegen den Sozialisten Hollande - und die Auguren prophezeien, dass Hollande gewinnen könnte. Das ist natürlich nicht im Sinne der konservativen deutschen Regierung. Also unterstützt man Sarkozy, wo man nur kann. So gab es Anfang des Jahres ein gemeinsames Interview von Sarkozy und Merkel, was zugleich im deutschen und französischen Fernsehen gesendet wurde.

Doch damit nicht genug. Diese Woche schrieben der deutsche Innenminister Friedrich und sein französische Amtskollege Guéant einen gemeinsamen Brief an die EU-Ratspräsidentschaft, in dem sie sich dafür einsetzten, das Schengen-Abkommen, dass die Bewegungsfreiheit der Bewohner aller Mitgliedsstaaten ermöglicht, im Notfall aussetzen zu können. Etwa, wenn massenhaft Flüchtlinge nach Europa strömen.

Da ist es wieder, das Lieblingsthema konservativer Parteien: Der Ausländer. Der natürlich zugleich kriminell ist. Das muss man nicht extra sagen. Im Jahr 1999 hat es Robert Koch mit einem ausländerfeindlichen Wahlkampf geschafft, die CDU in Hessen an die Macht zu bringen. Und auch sonst setzen gerade konservative Politiker auf die Ressentiments der Bürger gegen alles Fremde.

Sarkozy hatte vor seinem letzten Präsidentschaftswahlkampf davon profitieren können, dass er als Innenminister im Jahr 2005 die Vorstädte mit einem Hochdruckreiniger von kriminellen Ausländern reinigen wollte. "Mit einem Karcher reinigen" (nach der deutschen Firma Kärcher, die derartige Hochdruckreiniger herstellt) wurde in Frankreich ein geflügeltes Wort für ein hartes Vorgehen gegen Ausländer.

Nun gut, das ist der Wahlkampf. Da übertreibt man gerne mal. Das Problem ist nur: Die Sachen bleiben hängen. Und sie bereiten den Boden für ein dumpfes, braunes Pack, das sich der Demokratie überhaupt nicht verpflichtet fühlt.

Baut man Feindbilder auf, dann heißt dies, dass man selber nichts Positives zu bieten hat, sondern seine Existenzberechtigung daraus zieht, dass es noch negativeres geben soll, gegen das man kämpft. Aber sind die europäischen Konservativen wirklich geistig so arm, dass sie nur noch mit der Hetze gegen Ausländer überleben können?
P.H.



Samstag, 14. April 2012
Die ängstliche Demokratie
Ein Aufschrei geht durch die Republik: Die Salafisten verteilen kostenlose Exemplare des Korans. Wieso, so wundert man sich, regt man sich darüber auf? Verteilen die Christen kostenlose Exemplare der Bibel, so ist das doch auch keine Meldung wert.

Der Grund für die Aufregung liegt darin, so liest man in der Presse, dass es sich bei den Salafisten nicht um irgendeine islamistische Gruppierung handelt, sondern um eine radikale Gruppe, die auch noch terroristischen Organisationen nahestehen soll. Die Salafisten verteilen also nicht nur den Koran, sondern machen auch noch Propaganda für ihr mittelalterliches Weltbild? Nö. Sie verteilen nur den Koran.

Warum ist das ganze dann überhaupt eine Meldung wert? Lassen wir uns nun von Radikalen mit ihren menschenverachtenden und demokratiefeindlichen Taten und Äußerungen die Themen bestimmen? Es sieht ganz so aus.

Wir reagieren auf das Verteilen des Korans wie eine Gruppe Hühner, in deren Stall sich ein Fuchs eingeschlichen hat. Und auch wenn der Fuchs einen Maulkorb trägt und im Moment zumindest gar nicht beißen kann: Wir flattern nervös umher, als gehe die Welt unter. Denn die Demokratie hat Angst.

Nach dem Fall des Ostblocks haben wir uns selber herzlich gratuliert: Die Demokratie hat gewonnen, die Demokratie ist das bessere System. Doch seit Jahren nimmt die Politikverdrossenheit zu und immer weniger Menschen gehen zur Wahl - oder wählen mit den Piraten eine Partei, die selber noch nicht weiß, was sie eigentlich will. Zugleich steigt die Ungleichheit in unserem Land - die Reichen werden immer reicher, die Armen bleiben zurück. Man hat nicht mehr den Eindruck, dass die Politik für alle da ist - und dann sind auch nicht mehr alle für den Staat und die Demokratie da.

Und so ängstigt sich die Demokratie schon, wenn nur das Gerücht aufkommt, ein Fuchs könnte in der Nähe sein.
P.H.



Sonntag, 8. April 2012
Was man nicht weiß...
Zu Ostern hat man mal wieder Zeit für die Familie. Man trifft sich, und lässt die Kleinen nach den vorher versteckten Eiern suchen, auch wenn dies beim heutigen Wintereinbruch in München eine kühle Angelegenheit wird. Und wenn die Eier gefunden sind, dann setzt man sich an den üppig gedeckten Tisch. Schließlich will man sich was Gutes tun.

Dumm ist nur, dass man bei den bunt gefärbten Eiern aus dem Supermarkt gar nicht weiß, ob man sich was Gutes getan hat. Denn auch wenn wir ansonsten peinlich darauf achten, Eier aus Freilandhaltung oder gar Biohaltung zukaufen - zu Ostern kann es uns passieren, dass uns schäbige, aber zumindest bunt gefärbte Käfigeier untergejubelt werden.

Aber was soll man sich beschweren: So läuft der freie Markt nun einmal. Zwar soll sich dank Angebot und Nachfrage die optimale Versorgung aller einstellen, doch wenn die Nachfrage gar nicht weiß, wie das Angebot aussieht, dann kommt halt irgendwas auf den Tisch.

Das denkt sich wohl auch die Lebensmittelindustrie, die unseren Kleinen immer neue Leckereien anbietet. Natürlich nur darauf ausgerichtet, was gut für die Kleinen ist. Doch eine Untersuchung der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch zeigt, dass die speziellen Produkte für Kinder vor allem eines sind: fett und voller Zucker. Und dafür auch noch deutlich teurer als vergleichbare Produkte für Erwachsene.

Denn das ist letztlich der freie Markt: Wer am besten lügt, der hat die Nase vorn.
Aber das kannte man ja auch schon von Pinocchio...
K.M.



Samstag, 31. März 2012
Freiheit und Gerechtigkeit
Die Formel für Freiheit und Gerechtigkeit scheint ganz einfach zu sein: Man gebe uns Freiheit, und die Gerechtigkeit stellt sich schon automatisch ein. Besonders die Ökonomen vertreten die Ansicht, dass ein freier Markt automatisch das optimale Ergebnis liefern werde. Und da von dem Optimum letztlich alle profitieren, bedeutet dies auch ein Höchstmaß an Gerechtigkeit.

Dies sieht auch unser neuer Bundespräsident so, der in seiner Antrittsrede von "Freiheit als Bedingung für Gerechtigkeit" sprach. Nur während gerade neoliberale Denker hier aufhören, dachte Joachim Gauck noch einen Schritt weiter; denn es gilt auch "Gerechtigkeit als Bedingung dafür, Freiheit und Selbstverwirklichung erlebbar zu machen". Ohne Gerechtigkeit gibt es keine Freiheit. Oder wie Gauck sagte: "Wir dürfen nicht dulden, dass Kinder ihre Talente nicht entfalten können, weil keine Chancengleichheit existiert. Wir dürfen nicht dulden, dass Menschen den Eindruck haben, Leistung lohne sich für sie nicht mehr, und der Aufstieg sei ihnen selbst dann verwehrt, wenn sie sich nach Kräften bemühen. Wir dürfen nicht dulden, dass Menschen den Eindruck haben, sie seien nicht Teil unserer Gesellschaft, weil sie arm, alt oder behindert sind."

Denn was bedeutet Freiheit an sich? Freiheit an sich ist zum Beispiel der freie Markt, der durch keine staatlichen oder gesellschaftlichen Regeln eingeschränkt wird. Und wer profitiert von einem solchen Markt? Allein die Starken. Diese setzen ihre Preise durch, diese bilden Kartelle oder Monopole und senken die Löhne auf ein Niveau, das zum Leben nicht reicht. Freiheit an sich ist erst einmal Anarchie.

Nur wenn man allen Menschen die Möglichkeit gibt, gleichermaßen an der Gesellschaft zu partizipieren, wenn Regeln geschaffen werden, die die Freiheit der Starken einschränken, damit auch die Schwachen ihre Freiheit erleben können, erst wenn es also Gerechtigkeit gibt, dann lebt man in einer wirklich freien Gesellschaft.

Erst wenn man die absolute Freiheit durch Gerechtigkeit einschränkt, dann können alle die Freiheit in einer Gesellschaft erleben. Gerechtigkeit braucht Freiheit - aber Freiheit braucht auch Gerechtigkeit, um zu existieren.
P.H.



Freitag, 23. März 2012
Aufschwung dank Agenda 2010?
Die Wirtschaft brummt derzeit, wie lange nicht mehr. Die Bundesagentur für Arbeit erwartet 2012 ein Rekordtief bei den Arbeitslosenzahlen - im Jahresdurchschnitt sollen unter 3 Millionen Menschen arbeitslos sein, nach gut 5 Millionen noch vor einigen Jahren.

Woran liegt es, dass Deutschland wirtschaftlich trotz der weltweiten Finanz- und Schuldenkrise so gut da steht? Vielen Ökonomen und Journalisten erscheint die Antwort klar: Natürlich nur wegen der Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010, die Deutschlands Arbeitsmarkt fit für die Zukunft machten. Wie die Zukunft aussah, konnte man schon seit Jahren in den USA beobachten: Immer mehr Menschen rutschen in den Niedriglohnsektor ab, und müssen zwei oder gar drei Jobs annehmen, um überhaupt über die Runden zu kommen. Aber das muss man halt akzeptieren, soll das Land überleben (und die Oberschicht sich weiter aus der Finanzierung der Gesellschaft zurückziehen können).

Aber hat die Agenda 2010 wirklich etwas mit dem derzeitigen wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands zu tun? Reden wir doch mal über die Eurokrise: Länder wie Griechenland und Portugal leiden unter der gemeinsamen Währung, weil diese nun ihre Währungen nicht mehr abwerten und so den Export ihrer Produkte ankurbeln können. Auf der anderen Seite steht Deutschland: Unsere Währung wird im gemeinsamen Währungsraum trotz der großen Handelsüberschüsse nicht mehr aufgewertet. Aus Deutschlands Sicht, ist der Euro zu billig. Und deshalb brummt die Wirtschaft.

Dieses Phänomen kennen wir aus der Vergangenheit: Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten sich die Industrienationen auf ein stabiles Währungssystem mit fixen Wechselkursen relativ zum Dollar geeinigt, dem sogenannten System von Bretton Woods. Als Deutschlands Wirtschaft wuchs, hätte er Exportüberschuss vor allem in die USA mit einer Verteuerung der D-Mark einhergehen müssen. Doch der Wechselkurs blieb stabil, die D-Mark war unterbewertet und deutsche Güter waren konkurrenzlos günstig. Das deutsche Wirtschaftswunder nahm seinen Lauf.

Das Wachstum der deutschen Wirtschaft erlebte erste Dellen, als die D-Mark 1969 um 8,5% aufgewertet wurde. Als dann der Wechselkurs der D-Mark zum Dollar 1971 freigegeben wurde, wurde die D-Mark weitere 9% teurer. Das Wirtschaftswunder war vorbei. Freuen wir uns also über den billigen Euro, so langes es ihn noch gibt. Aber hören wir bitte auf zu behaupten, die neoliberale Agenda 2010 hätte irgendetwas mit der heutigen wirtschaftlichen Stärke Deutschlands zu tun.
J.E.



Samstag, 17. März 2012
Der Süden hat's gut
Die Schuldenkrise hat Europa immer noch im Griff, auch wenn der erfolgreiche Schuldenschnitt in Griechenland dem Kontinent nun etwas Luft verschafft hat. Was aber ist der Grund dafür, dass es besonders den Südländern wie Griechenland, Portugal und Spanien so schlecht geht? Die Antwort scheint allen klar: Die immensen Lohnsteigerungen, die die Südländer ihren Arbeitnehmern in den letzten Jahren genehmigt haben. Weil es denen so gut geht, leidet das Land.

Man kann jede beliebige Zeitung aufschlagen, und schon findet man eine Grafik, die die Lohnentwicklung der letzten Jahre darstellt. So stiegen die Löhne in Deutschland von 2000 bis 2011 um moderate 7 Prozent, in Spanien, Portugal oder Griechenland jedoch um das 3 bis 5fache. Da ist es ja kein Wunder, dass die Wirtschaft dieser Länder nicht mehr wettbewerbsfähig ist.

So zumindest die Propaganda, der wir tagtäglich ausgesetzt sind. Doch wer hat am Ende mehr: Ein Mensch, der zu einem Einkommen von 100.000 Euro fünf Prozent Erhöhung bekommt, oder ein Mensch, der zu einem Einkommen von 10.000 Euro 30 Prozent Erhöhung bekommt?

In den Zeiten des PISA-Schocks sind solche Rechnungen natürlich kaum zu bewältigen. Da beschwert man sich doch lieber, dass der Kollege mit einem Einkommen von 10.000 Euro eine so viel größere Erhöhung bekommt als der zehnmal reichere Mensch.

Tatsache ist jedoch, dass die Einkommen in den Südländern deutlich niedriger sind als in Deutschland - trotz dieser "immensen" Lohnsteigerungen in den letzten Jahren. Die waren ja auch gewollt, immerhin sollen sich die Lebensverhältnisse in der EU mit der Zeit angleichen. Wüchsen die Löhne in allen Ländern um denselben Faktor, dann bliebe die Kluft zwischen arm und reich ja auf Ewig bestehen. Doch selbst trotz dieser Steigerungen verdient ein Arbeitnehmer in Griechenland nur durchschnittlich 23.900 Euro im Jahr und der Arbeitnehmer in Deutschland 42.400. Ebenso ist die Kaufkraft der Arbeitnehmer in Deutschland deutlich höher als in den kriselnden Südländern.

Trotz dieser geringen Einkommen sollen die Südländer also nicht wettbewerbsfähig? Das erscheint nun doch komisch. Da verschweigt man lieber die absoluten Zahlen und berichtet nur von den viel höheren Lohnsteigerungen, um den Südländern Vorwürfe zu machen. Nie log man schöner mit Statistiken.
J.E.