Sonntag, 9. September 2012
Unsere demente Regierung
Bei einer Demenz, so lehrt uns Wikipedia, ist vor allem das Kurzzeitgedächtnis betroffen. Demente Personen können sich nicht mehr an das erinnern, was sie in den letzten Wochen, Monaten oder Jahren getan oder erlebt haben, obwohl ihnen Erinnerungen aus ihrer Jugend noch gut präsent sind.

Nun hat unsere Sozial- und Arbeitsministerin, Ursula von der Leyen, eine Entdeckung gemacht, die an der intellektuellen Leistungsfähigkeit unserer Regierung zweifeln lässt. Dass Bundearbeitsministerium hat nämlich berechnet, dass selbst Normalverdiener mit einem Gehalt von 2500 Euro im Monat mit Altersarmut rechnen müssen, weil die staatliche Rente im Jahr 2030 viel zu gering sei. Große Verwunderung bei der Politik. Sollte die staatliche verordnete Rentenkürzung tatsächlich dazu führen, dass die Rentner weniger Geld im Portemonnaie haben?

Kleine Rückblende: In selten gesehener Eintracht haben die rotgrüne Bundesregierung in einer großen Koalition mit der schwarzgelben Opposition Anfang der 2000er Jahre das Rentensystem umgestellt. Das staatliche Rentenniveau soll von heute etwa 51% des Nettolohns auf 43% des Nettolohns im Jahr 2030 sinken. Begründet wurde dies damit, dass man der jungen Generation nicht zumuten könne, im Umlageverfahren immer größere Anteile ihres Einkommens in die Rentenkasse einzahlen zu müssen. Stattdessen sollten sich die Menschen, und auch die jüngere Generation, lieber privat versichern und ihr eigenes Vermögen ansparen.

Das klingt ja erste einmal vernünftig. Nur: Die Armen haben kaum genug zum Leben - und sicher nicht genug, um ein Vermögen fürs Alter anzusparen. Bei ihnen wird nur gekürzt. Auch teilten sich früher Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Kosten für die Rente - nun zahlt der Arbeitnehmer allein. Die Rentenreform stürzte die Armen in bittere Armut und hatte nur für Arbeitgeber und Versicherungen Vorteile. Mit dieser Reform hat die rotgrüne Koalition die Konservativen rechts überholt - weshalb diese der Reform wohl auch so problemlos zugestimmt haben. Und nun wundern sie sich, was sie da beschlossen haben.

Gibt es irgendwo ein nettes Pflegeheim, wo man unsere dementen Politiker pflegen lassen kann - bevor sie weiteren Schaden anrichten können?
J.E.



Samstag, 25. August 2012
Wir retten die Wirtschaft
Waren das nicht hehre Worte nach der Bankenkrise? Mit riesigen Geldmengen im im Milliardenbereich sollte die Wirtschaft der von der Finanzkrise betroffenen Länder gerettet werden. Der damalige US-Finanzminister Paulson machte damals zur Rettung der amerikanischen Wirtschaft im ersten Schritt sogar sagenhaft 700 Milliarden US-Dollar flüssig.

Damit die Wirtschaft wieder in Schwung kam, brauchte es Geld von den Banken, also wurden die Hilfsmittel im wesentlichen den Banken zur Verfügung gestellt, die sonst aufgrund ihrer grenzenlosen Zockerei der Reihe nach insolvent gegangen wären. Die einzelnen Hypothekennehmer, die die Krise ebenfalls in die Privatinsolvenz und Armut stieß, wurden mit ihrem Schicksal allein gelassen. Denen wollte der US-Finanzminister nicht helfen. Und so, wie die USA es vormachten, taten es alle Länder der Welt.

Alle Länder der Welt? Nein, ein besonders hart von der Finanzkrise getroffenes Land im nördlichen Atlantik verfolgte die genau entgegengesetzte Taktik . In Island ließ der Staat die Banken pleite gehen oder übernahm sie, damit die Geldversorgung der Bevölkerung gesichert war. Gleichzeitig wurde die Staatsanwaltschaft gegen die Banker aktiv, mehr als hundert Verfahren laufen in dem kleinen Land, das selber kaum mehr als 300.000 Einwohner hat - und man half den Hypothekennehmern, damit diese ihre Kredite weiter bezahlen konnten.

Und was sind die Folgen, dieses unerhörten Vorgehens? Während die US-Wirtschaft wohl nur mit mageren 1,5 Prozent in diesem Jahr wachsen und die Eurozone sogar nur stagnieren wird, wächst die Wirtschaft in Island um satte 4 Prozent.

Wie kann das sein, wo doch die USA und die Länder der Eurozone so viel Geld in die Wirtschaft investiert hat? Vielleicht, weil die Wirtschaft einfach nichts produziert, wenn es keine Kunden gibt, die die Waren erwerben könnten?

Und so steckt die Wirtschaft, und hier im konkreten die Finanzwirtschaft, das Geld lieber in Spekulationen mit Rohstoffen und Aktien - während die Wirtschaft real weiter vor sich hin siecht. Vielleicht hatte Keynes doch nicht so ganz unrecht, als er meinte, man kann eine Wirtschaft nur dann wieder in Schwung bringen, wenn man die Nachfrage in Schwung bringt.

Aber Keynes ist für unsere neoliberalen Politikern, die sich fast nur von den Wölfen der Finanzwelt beraten lassen, natürlich ein rotes Tuch. Und so retten wir weniger die Wirtschaft - als vielmehr die Konte der Spekulaten.
J.E.



Freitag, 3. August 2012
Die Kirche ist nicht von dieser Welt
Die Satirezeitschrift "Titanic" hatte im Juli ein durchaus fragwürdiges Cover zum sogenannten "Vatileaks"-Skandal, bei dem immer wieder vertrauliche Informationen aus der näheren Umgebung des Papstes an die Öffentlichkeit gelangt waren. Unter dem Titel "Halleluja im Vatikan – Die undichte Stelle ist gefunden" hatte die Titanic ein Bild vom Papst mit einem gelben Fleck im Schritt gezeigt. Das Landgericht Hamburg sah eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Papstes und verbot die Verbreitung der Zeitschrift.

Zeitnah forderte nun der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick ein Blasphemie-Verbot in Deutschland. "Wer die Seele der Gläubigen mit Spott und Hohn verletzt, der muss in die Schranken gewiesen und gegebenenfalls auch bestraft werden", sagte der Bischof. Ein Sprecher des Bischofs teilte zwar mit, dass dies nichts mit dem Titanic-Cover zu tun habe - obwohl es doch so gut zu diesem Thema passt...

Jede öffentliche Person, jeder Star und jeder Politiker muss sich Kritik an seiner Person gefallen lassen. Nur die Kirche beruft sich auf die "Seele der Gläubigen" und möchte von diesen demokratischen Rechten der freien Meinungsäußerung verschont bleiben und will sich außerhalb einer demokratischen Rechtsordnung stellen.

Es ist, wir erinnern uns, dieselbe Kirche, die mit Hexenverfolgung und Inquisition auch nicht mit den Menschenrechten belästigt werden wollte; es ist dieselbe Kirche, die sich gut mit Diktaturen wie die Pinochets oder Hitlers arrangiert hat; es ist dieselbe Kirche, die soziale Gerechtigkeit predigt und zugleich Niedriglöhne bezahlt, die "schlimmer als Lidl" sind; es ist dieselbe Kirche, die von ihren Mitarbeitern die Einhaltung religiöser Gesetze fordert, obwohl der Staat ihnen mehr Freiheiten zugesteht - und sich die Freiheit nimmt, die Mitarbeiter zu feuern, sollten diese sich mehr Freiheiten herausnehmen; es ist dieselbe Kirche, die mit dem Vatikan den letzten noch verbliebenen abolutistisch regierten Staat in Europa betreibt. Kurz, es ist dieselbe Kirche, die in ihrer langen Geschichte gezeigt hat, dass sie mit demokratischen Errungenschaften auf dem Kriegsfuß lebt.

Wie Welt hat sich geändert, doch die Kirche lebt noch immer im Mittelalter. Da ist es nur folgerichtig, dass sie auch nicht mit einer derartigen Lappalie wie dem Recht auf freie Meinungsäußerung belästigt werden will.

Die Kirche ist eben nicht von dieser Welt.
P.H.



Samstag, 21. Juli 2012
Die Volkskammer der BRD
In dieser Woche hat die ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete der CDU Vera Lengsfeld für einen kleinen Eklat gesorgt, als sie den deutschen Bundestag mit der Volkskammer der DDR verglichen hat, die ja nur pro Forma existierte, um die Vorlagen des Politbüros abzunicken. Besonders kritisch sah sie die Abstimmungen zum Rettungsschirm und der Bankenrettung in Spanien. Gerade im letzten Fall waren die Abgeordneten aus dem Urlaub zurückgeholt worden, um die Hilfe zu genehmigen. Wer glaubt wirklich, dass sich ein Abgeordneter am Strand die dazugehörigen Vereinbarungen genau durchgelesen hat, damit er nun im Bundestag an der richtigen Stelle die Hand heben konnte?

Ähnlich verwunderlich registriert man als Bürger die Posse um das neue Meldegesetz, das mit einer rekordverdächtig langen Aussprache von 57 Sekunden verabschiedet wurde - und den Meldeämter die Möglichkeit gibt, die Adressen der Bürger zu verkaufen, falls diese nicht explizit Widerspruch dagegen einlegen. Später erst merkte man, dass man damit den Staat zum Adresshändler machte, und der größte Kritiker der christlich-liberalen Union, der bayerischen Ministerpräsident Horst Seehofer, ließ verlautbaren, dass hier ein "dicker Fehler" passiert sei und man das Gesetz im Bundesrat stoppen werde.

Es scheint, als wüssten unsere Abgeordneten nur selten, worüber sie da eigentlich abstimmen, wenn sie doch mal im Parlament auftauchen. Das musste auch das ARD-Magazin Panorama feststellen, als es im September 2011 nach der Entscheidung des Bundestages über die Aufstockung des europäischen Rettungsschirms eine Umfrage unter den Abgeordneten durchführte, und sich erkundigte, wie groß denn der Anteil Deutschlands an diesem Rettungsschirms sei. Nur wenige konnten diese Frage tatsächlich beantworten.

Aber kann man deshalb sagen, der Bundestag sei wie die Volkskammer der verblichenen DDR? Immerhin gibt es einen wichtigen Unterschied: Wir dürfen die Deppen, die uns vertreten, frei wählen.

Wenn die dann mal nicht eine würdige Vertretung für uns sind...
K.M.



Samstag, 7. Juli 2012
Pflege für die Versicherungswirtschaft
Ende Juni konnte die FDP einen kleinen Sieg im Bundestag feiern. Ihr Gesundheitsminister Daniel Bahr brachte seine Pflegereform durch den Bundestag. Und man kann wirklich sagen, dass es eine Pflegereform der FDP ist.

Die Reform sieht zahlreiche Verbesserungen für Leistungsempfänger vor, so soll die ambulante Versorgung und Betreuung von Demenzkranken verbessert werden und die Angehörigen erhalten mehr Geld, wenn sie demente Verwandte zu Hause pflegen. Zwar steigt wegen der höheren Kosten der Beitragssatz zur Pflegeversicherung um 0,1%, aber die Steuersenkungspartei FDP konnte damit ganz gut leben, denn die Reform sieht noch eine weitere wichtige Änderung vor.

Diese Änderung hatte die FDP der Union in einem harten Streit um die Einführung des Betreuungsgeldes abgerungen. Die FDP hatte sich nur bereit erklärt, das Betreuungsgeld zu unterstützen, wenn die Union im Gegenzug dem Aufbau einer privaten Pflegeversicherung nach dem Vorbild der Riester-Rente zustimmt. Und so sieht das Gesetz nur Pflegeversicherung nun vor, dass private Versicherungen mit fünf Euro pro Monat bezusschusst werden. Viel ist das nicht, aber nun wurde nach der Rente auch die Pflege um eine neue, private Säule erweitert.

Rufen wir uns noch einmal die Erfolge der Riester-Rente ins Gedächtnis: Der Staat hatte die Leistungen der staatlichen Rentenversicherung gekürzt, und dann die Bürger aufgefordert, eine private Rente abzuschließen. Um dies zu fördern, so die Idee des damaligen Arbeits- und Sozialministers Walter Riester, bezuschusste der Staat diese private Rente. Die Rechnung sieht nun so aus, dass der Staat in den ersten zehn Jahren etwa 8,2 Milliarden Euro an Zuschuss ausgeschüttet hat - und die Versicherungswirtschaft gut 6 Milliarden Euro an Provisionen und Verwaltungsgebühren kassiert hat. Der staatliche Zuschuss für die Riester-Rente ist nichts weiter als eine Subvention die Versicherungswirtschaft. Nur wird sie über den Bürger umgeleitet.

Nun gibt es also auch eine Riester-Pflege. Es besteht wohl kein Zweifel daran, wem diese Einrichtung letztlich dienen soll. Schließlich rekrutiert die FDP hier ihre Wähler. Und der privaten Krankenversicherung geht es schon lange nicht mehr so gut, wie noch vor Jahren. Da kommt ihr eine Riester-Pflege sicher gerade recht.

Aber dem Bürger kann man das auch noch als Wohltat in seinem Sinne verkaufen...
P.H.



Samstag, 30. Juni 2012
Verschwörung gegen Europa?
Verschwörungstheorien sind ja gerade in den USA sehr beliebt. So soll die CIA mit der Mafia verantwortlich für die Ermordung des Präsidenten John F. Kennedy sein. Die CIA habe auch wieder ihre Finger bei den Attentaten vom 11. September 2001 im Spiel gehabt. Und die Mondlandung habe nie stattgefunden, sondern sei nur in einem Fernsehstudio produziert worden.

Dass Verschwörungstheorien jedoch nicht nur in den USA gerne gemocht werden, zeigte ausgerechnet die altehrwürdige ARD in der Sendung Plusminus vom 27.06.2012. Hier wurde die Frage aufgeworfen, wieso die angelsächsischen Rating-Agenturen vor allem kontinentaleuropäische Länder und Banken im Visier haben, obwohl doch die Schuldensituation und gesamtwirtschaftliche Situation in den USA und Großbritannien kaum besser als in Griechenland sei.

Fast habe man den Eindruck, die Krise sei inszeniert, so auch der Wirtschaftsprofessor Max Otte, der schon früh vor dem Crash von 2007/2008 gewarnt hatte. Denn die im Vergleich zu den USA und UK schlechte Bewertung kontinentaleuropäischer Länder führe zum einen dazu, dass die Zinsen für Staatsschulden immens stiegen, und zum anderen sänken die Aktienkurse und machten kontinentaleuropäische Unternehmen vergleichsweise billig.

An hohen Zinsen für Staatsanleihen und der Möglichkeit, gut laufende Unternehmen billig übernehmen zu können, verdienen vor allem Hedge-Fonds aus den angelsächsischen Ländern. Stutzig macht nur, dass sich auch die Rating-Agenturen im Besitz solcher Hedge-Fonds befinden. Ein Schelm, wer böses dabei denkt...

Auch wenn Verschwörungstheorien zumeist mehr über den wirren Geisteszustand des Verkünders als über die tatsächlichen Zustände in der Welt aussagen - man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als trieben die Hedge-Fonds mit ihren völlig unkontrolliert einsetzbaren Milliardenvermögen ein schmutziges Spiel auf Kosten der kontinentaleuropäischen Länder. Und immer noch traut sich keiner, der internationalen Finanzmafia die Stirn zu bieten.
J.E.



Samstag, 23. Juni 2012
Den Staat schwächen
Die Staaten sollen sparen. Immerhin kann man ja nicht mehr ausgeben, als man einnimmt. Und so schnürrt man in Europa einen Fiskalpakt, der alle Länder dazu verpflichten soll, weniger Schulden zu machen.

Doch warum machen die Länder eigentlich so viele Schulden? Nun, weil die Ausgaben so hoch sind. Das könnte man zumindest auf den ersten Blick sagen. Und tatsächlich geben wir für unsere Sozialversicherungen und die Sozialhilfe Milliarden aus.

Ein anderer Grund für die vielen Schulden könnte aber auch sein, das wir viel zu wenig Geld einnehmen. Denn schließlich sagt uns erst die Differenz aus Einnahmen und Ausgaben, wie stark wir im Negativen sind. Und gerade die Einnahmen fast aller Industrieländer wurden in den letzten Jahren beschnitten. In den USA senkte Reagen den Höchssteuersatz von über 70% auf und 40%, und auch George W. Bush setzte Anfang 2000 Steuersenkungen von etwa 135 Milliarden Dollar pro Jahr durch. Ähnlich schenkte die Regierung Schröder den Deutschen Milliarden, als sie den Spitzensteuersatz von über 50% auf knapp über 40% senkte. Allerdings haben all diese Maßnahmen ein Geschmäckle: Sie kommen fast nur den Reichen zugute, die Armen zahlen fast genauso viel Steuern wie vor den großen Reformen.

Aber der Staat wollte die Steuern reduziert, schließlich sollen die Leistungsträger für ihre Leistung auch belohnt werden. Dass sie auch bei den hohen Steuersätzen belohnt wurden und Millionen nach Hause brachten ist egal. Dass die Wirtschaft nach den Zweiten Weltkrieg trotz der hohen Steuersätze deutlich besser lief als heute, wo die Leistungsträger besser belohnt werden, stört auch keinen. Doch wenn der Statt schon die Einnahmen reduziert - müsste er dann nicht auch die Ausgaben reduzieren?

Hier tat sich der Staat schwer. Schließlich tut er mit seinen Ausgaben den Bürgern - also uns allen - etwas gutes. Er subventioniert die Theater und die Schwimmbäder, er baut die Straßen und stellt Sozialleistungen bereit. Wer würde schon darauf verzichten wollen? Und wer würde eine Regierung wiederwählen, die diese Leistungen einschränkte?

Also blieb bei den Ausgaben alles beim Alten, und der Staat machte mehr Schulden. Das soll nun der Fiskalpakt eindämmen. Jetzt muss der Staat bei den Ausgaben streichen. Damit wird er schwächer. Und nun könnte man an eine Verschwörung glauben: Es sind gerade die Konservativen, die die Einnahmen des Staates reduzierten, nun den Fiskalpakt fordern - und sich ohnehin einen schwachen Staat wünschen. Mit ihren fiskalpolitischen Maßnahmen erreichen sie diese Schwächung endlich.

Dabei ist ein schwacher Staat nur für einen gut: Für die Starken. Und dazu gehört die Mehrheit der Bürger sicher nicht.
K.M.



Samstag, 16. Juni 2012
Ökonomie vs. Ökologie
Morgen wird in München wieder gewählt. Nein, es handelt sich nicht um eine Wahl zum Stadtparlement oder den Landtag. Eigentlich ist es auch keine Wahl, sondern nur ein Bürgerentscheid. Und unser Ministerpräsident hat auch schon angekündigt, dass in das Ergebnis nicht sonderlich interessiert. Lieber will er die Landtagswahl im nächsten Jahr nutzen, um das Thema entscheiden zu lassen. Andere Themen scheint's in Bayern wohl nicht zu geben.

Worum geht es eigentlich? Der Münchner Flughafen hat heute zwei Startbahnen. Die Betreiber gehen jedoch davon aus, dass die Zahl der Starts und Landungen in den nächsten Jahren deutlich zunehmen wird. Also brauche man eine weitere Startbahn, da dieses Verkehrsaufkommen mit den vorhandenen zwei Startbahnen nicht zu schaffen sei. Außerdem soll die dritte Startbahn für 11.000 weitere Stellen sorgen. Wer wollte bei diesem Argument eine dritte Startbahn verhindern wollen?

Natürlich die Gegner der dritten Startbahn. Diese führen an, dass die Prognosen zu optimistisch seien. In den letzten Jahren sei die Zahl der Flugbewegungen rückläufig gewesen. Beim Bau der Startbahn müsse weitere, wertvolle Natur weichen. Und wenn wirklich mehr Flugzeuge starten und landen sollten, dann würde der Lärm am Flughafen weiter zunehmen - dabei leiden die Anwohner jetzt schon unter dem großen Lärm der Flieger.

Hier soll gar nicht versucht werden, für die eine oder andere Seite zu argumentieren. Doch was fällt auf? Die Befürworter argumentieren rein ökonomisch. Die Startbahn ist gut für die Wirtschaft. Die Gegner argumentieren eher ökologisch. Die Natur und die Gesundheit der Menschen leiden unter einer dritten Startbahn und mehr Flugbewegungen.

Wieder einmal haben wir den Fall, dass die Ökonomie und Ökologie wie unversöhnliche Kontrahenten gegenüber stehen. Doch was ist die Ökologie? Erst einmal nur die Wissenschaft, die die Beziehungen der einzelnen Lebewesen untereinander und mit ihrer Umwelt untersucht, wie die Wikipedia schreibt. Die Ökonomie beschäftigt sich gar nur mit den wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Menschen oder Organisationen, die von Menschen geschaffen wurden. Letztlich ist die Ökonomie ein Teilbereich der Ökologie. Eigentlich können sie gar nicht konträre Ziele haben.

Dass sie dennoch als unversöhnliche Kontrahenten auftreten, zeigt uns nur, dass die von den Menschen geschaffenen Regeln der Wirtschaft wohl nicht sonderlich sinnvoll sind.
J.E.



Freitag, 8. Juni 2012
Ist Europa am Ende?
Die Frage, ob Europa am Ende sei, kommt einem in diesen Tagen sicherlich öfter. Die Schuldenkrise vor allem in den Südländern scheint kein Ende zu nehmen. Die Griechen haben arge Probleme, eine Regierung auf die Beine zu stellen, die etablierten Parteien, die den Sparkurs unterstützten, erreichten bei der Wahl vom 6. Mai keine Mehrheit. Nun darf am 17. Juni wieder gewählt werden, doch es gibt arge Zweifel, ob sich nach dieser Wahl eine regierungsfähige Mehrheit finden wird.

In Spanien stehen die Banken vor dem Abgrund, und man spekuliert, dass das Land am Wochenende einen Hilfsantrag beim europäischen Rettungsschirm EFSF stellen wird. Und der Weltmeister aller Gelddrucker, der Chef der amerikanischen Zentralbank Ben Bernanke, warnt vor der europäischen Schuldenkrise und den Risiken für die amerikanische Wirtschaft.

In Deutschland fühlt man sich noch relativ sicher. Die Arbeitslosenzahlen liegen auf dem niedrigsten Stand seit zwanzig Jahren - auch wenn sich das Tempo des Aufschwungs nun etwas zu verlangsamen scheint. Immerhin profitiert Deutschland von dem schwächelnden Euro wie kein zweites Land. Und wenn es schon ohne weiteres Zutun von der schwachen Währung profitiert, dann kann es den anderen Ländern mit dem von Deutschland initiierten Fiskalpakt auch noch vorschreiben, wie die sich zu verhalten haben. Hauptsache ist doch, Deutschland muss den Südländern nicht wirklich helfen, ihre Wirtschaft in Schwung zu bringen. Es reicht ja schon, dass wir den Banken das Geld zurückzahlen.

Nun haben die europäischen Mitgliedsländer auch noch entschieden, dass das Schengenabkommen, welches eine freie Reisefreiheit innerhalb der Mitgliedsstaaten garantiert, nach Gutdünken eer Regierung eines Mitgliedslandes für bis zu zwei Jahre ausgesetzt werden kann. Wie man hört, geschah dieser Rückschritt in der europäischen Integration vor allem auf Betreiben Deutschlands und Frankreichs. Schließlich hatte Italien nordafrikanische Flüchtlinge vor einiger Zeit einfach nach Norden reisen lassen, weil es mit dem Ansturm überfordert war. Und das kann man ja nicht noch einmal zulassen.

Sieht so das Europa aus, das wir haben wollen? Jedes Land entscheidet aus rein egoistischen Gründen, wie es mit den anderen Umgeht? An einem Rettungsfond für den Süden beteiligen wir uns, schließlich haben auch unsere Banken dort Milliarden versenkt, doch den Bürgern helfen wird nicht, obwohl gerade Deutschland von dem schwachen Euro profitiert? Wenn ein Land von Hilfesuchenden überrannt wird und auf die Hilfe der Partner hofft - dann machen wir schnell die Grenzen dicht?

Europa kann nur überleben, wenn sich seine Mitglieder sich solidarisch verhalten. Und gerade Deutschland legt im Moment einen derartigen Egoismus an den Tag, das man sich nur schämen kann. Hoffentlich besinnen sich unsere Politiker bald wieder auf die europäischen Werte, die doch gerade die Union als christlich definiert.
P.H.



Freitag, 1. Juni 2012
Sind wir Masochisten?
Der Mensch, so hören wir immer wieder, liebt die Freiheit. So will er auf gar keinen Fall durch den Staat gegängelt werden, und als Jugendlicher stößt ihm nichts saurer auf, als wenn er die Eltern oder die Lehrer versuchen, ihm irgendwelche Vorschriften zu machen. Der Mensch möchte frei sein. Bevormundung oder gar Strafen für Fehlverhalten passen nicht in diese Welt.

Bis dann ein Herr Ramsauer, seines Zeichens CSU-Mitglied und Bundesverkehrsminister ankam, und das Punktesystem für Fehlverhalten im Straßenverkehr vereinfachen wollte. So sollte es, je nach Fehlverhalten, nur noch ein oder zwei Punkte geben (früher gab es bis zu sieben Punkte), allerdings wäre der Führerschein dann schon nach 8 Punkten weg - und nicht erst nach 18.

Nun gilt es ja heutzutage jedoch als modern, wenn man die Bürger über Gesetzesvorhaben im Internet diskutieren lässt. So richtete das Bundesverkehrsministerium eine Internetseite ein, auf der die Bürger ihre Meinung zu diesem Gesetzesvorhaben sagen konnten. Erstaunlicherweise war der Hauptkritikpunkt, dass die Bestrafung mit maximal zwei Punkte für einige Vergehen wie Fahren im Vollrausch oder schwere Nötigung als zu lax eingeschätzt wurde. Diese sollen nun mit drei Punkten geahndet werden.

Das muss man sich mal vorstellen: Da hat der Bürger die Wahl, seine eigene Bestrafung festzulegen - und er entscheidet sich für eine harte Strafe. Denn wir wollen zwar Freiheit - aber eben keine Anarchie. Wenn die Strafen jedoch zu lax werden, so wird befürchtet, dass die Vergehen zunehmen. Oder anders gesagt: Wer ein schweres Verbrechen begeht, soll auch entsprechend bestraft werden. Die Freiheit kann nicht jedes Verhalten rechtfertigen. Wir drücken uns nicht vor der Strafe, denn wir wollen Gerechtigkeit.

Sind wir also masochistisch? Nein, nur moralisch.
P.H.