Sonntag, 17. Juli 2016
Unter Beschuss
Wachte man Freitagmorgen auf, dann konnte man es kaum glauben: In der Nacht war bei den Feiern zum Nationalfeiertag in Nizza ein Terrorist mit einem LKW in eine Menschenmenge gefahren und hatte mindestens 84 Menschen getötet. Und einen Tag später wurde man mit der Nachricht überrascht, dass das Militär in der Türkei geputscht hatte. Der Putsch wurde niedergeschlagen, auch weil das Volk sich gegen die Putschisten gestellt hatte. Und man kann zwar eine Regierung stürzen, aber nicht das ganze Volk.

Die Armee hatte den Putsch angezettelt, weil sie die Demokratie in Gefahr sah - auch wenn sie selber nicht gerade demokratisch agiert. Doch Erdogan baut seine Macht immer weiter aus - und schert sich nicht um Gesetze. Kaum waren die Schüsse verhallt, da wurden auch schon 3000 Richter entlassen. Es gab doch tatsächlich immer noch Richter in der Türkei, die nicht im Sinne Erdogans urteilen.

Vorher schon hatte Erdogan den Staat nach seiner Facon gestrickt. Wer an türkischen Universitäten Meinungen vertritt, die Erdogan nicht gefallen, muss damit rechnen, seinen Job zu verlieren. "Normale" Bürger werden in diesem Fall wegen Beleidigung des Präsidenten angeklagt - allein 1845 Mal im letzten Jahr. Und Abgeordnete verlieren pauschal ihre Immunität - schließlich soll sich niemand erdreisten können, dem Sultan vom Bosporus zu widersprechen. Und wenn ein Gericht den protzigen Präsidentenpalast zu einem Schwarzbau erklärt, dann ficht das Erdogan nicht an - er steht schließlich über dem Gesetz.

Bei all diesen Verfehlungen des Präsidenten erscheint es verwunderlich, dass die Türken sich den Putschisten in den Weg gestellt haben. Hatten sie befürchtet, dass es noch schlimmer kommen könnte?

Oder leiden sie schon am Stockholm Syndrom, bei dem Opfer ein emotional positives Verhältnis zu den Tätern aufbauen?

Was auch immer der Ausgang des Putsches war - die Demokratie hat auf jeden Fall verloren.
J.E.



Freitag, 1. Juli 2016
Verdammt, wir haben gewonnen
Damit hatte ja niemand wirklich gerecht: In den Tagen vor der Abstimmung waren die Aktienkurse sogar wieder gestiegen, weil die Anleger einfach nicht glauben konnten, dass die Briten am 23. Juni wirklich für den Austritt aus der EU, den Brexit, stimmen würde.

Und dann haben sie es doch getan: Mit 51,9% stimmten sie für den Brexit.

Und nun? Anstatt enthusiastisch den Ausstieg zu erklären, verschwindet jeder politisch Verantwortliche. Der Premierminister Cameron wird zurücktreten, sein Nachfolger soll im Herbst gewählt werden. Boris Johnson war übers Wochenende abgetaucht, und schreibt dann am Wochenende in einer Zeitung, dass sich auch durch den Austritt eigentlich nicht viel ändern werden.

Vor allem werden die Ziele, die man damit erreichen wollten, gar nicht erreicht, will man verhindern, dass Großbritannien zum Armenhaus Europas verkommt. Denn den lebensnotwendigen Zugang zum Binnenmarkt wird es nur geben, wenn die Briten auch akzeptieren, dass EU-Bürger bei ihnen leben und arbeiten können. Aber gerade das wollte man ja verhindern. Und so wird auf einmal nicht nur das Großmaul Johnson merkwürdig schweigsam, sondern die Brexit-Befürworter müssen eingestehen, dass ihre Ziele vielleicht nicht ganz realistisch waren.

Und es mehren sich die Stimmen, dass Johnson und Kollegen vielleicht gar keinen Brexit wollten, sondern die Kampagne nur angezettelt hatten, um ihre Machtposition zu stärken. Das beste Ergebnis wäre eine knappe Niederlage gewesen: Großbritannien wäre in der EU geblieben, aber Johnson hätte sich als neuer Premierminister etablieren können, weil doch so viele hinter ihm stehen.

Nur muss man einmal bedenken, wie diese Kampagne geführt wurde: Es wurde vor allem Hass gegen Ausländer geschürt. Nur der persönlichen Machtspielchen wegen. Vielleicht ist das allgemein der Grund, weshalb rechte Kräfte so sehr den Hass auf Ausländer schüren: Sie erhoffen sich davon persönlichen Machtgewinn.

Nein, ein paar hartgesottene Rassisten werden auch unter ihnen sein.
P.H.



Samstag, 18. Juni 2016
Brexit: Die EU als Sündenbock
Nächste Woche können die Briten darüber abstimmen, ob sie weiter in der EU bleiben wollen, oder ob sie die EU verlassen wollen. Schon wieder. Denn 1975, zwei Jahre nach dem Beitritt, haben die Briten schon einmal darüber abgestimmt, ob sie in der EU bleiben wollen. Damals waren zwei Drittel dafür. Doch diesmal könnte es eine Mehrheit für einen Austritt geben.

Die Briten, immer dieser Briten. Thatcher hat schon Sonderkonditionen für die Insel ausgehandelt (I want my money back), und man usterstellt ihnen allgemein, dass sie es immer noch nicht überwunden haben, nicht mehr das Zentrum eines Weltreichs zu sein. Wie kann man da Mitglied eines Clubs werden?

Doch sind die Briten wirklich gegen Europa? Wenn man sich die Argumente der Gegner anschaut, dann fallen vor allem zwei ins Auge, die in verschiedenen Schattierungen gebetsmühlenartig weiderholt werden: Die vielen Zuwanderer sind zu teuer für Großbritannien, und die Kosten für die EU sind zu hoch.

Es geht also eigentlich nur ums Geld. Die Briten fühlen, dass es in ihrem Land zu wenig Geld für die sozialen Systeme gibt, für die Investitionen in die Infrastruktur oder für Investitionen in die Wirtschaft. Die Armut in Großbritannien ist schneller gestiegen als in allen anderen westlichen Ländern - mit Ausnahme der USA. Immer mehr Briten befinden sich auf dem absteigenden Ast. Aber ist die EU an dieser Entwicklung schuld?

War es nicht so, dass jede Regierung seit Thatcher, egal ob konservativ oder links, die Reichen reicher und die Armen ärmer gemacht hat? War es nicht so, dass jede dieser Regierungen gespart hat - auch damit sie die Banken unterstützen konnte, die in der Krise 2008 sonst reihenweise umgefallen wären? Ist es nicht so, dass die Probleme der Briten hausgemacht sind?

Doch die EU bietet sich natürlich als Sündenbock an. Besonders, wenn man selber keine weiße Weste hat. Die Abstimmung über den Verbleib in der EU ist tatsächlich eine Abstimmung über die asoziale Politik der britischen Regierungen in den vergangenen Jahrzehnten. Doch davon kann man nun wunderbar ablenken.

Doch wenn die Briten dann tatsächlich die EU verlassen sollten - wer dient dann in der Zukunft noch als Sündenbock für die eigenen Verfehlungen?
P.H.



Samstag, 4. Juni 2016
Stell dir vor es ist Aufschwung...
Was war das für ein Schock: In einer Umfrage landete die Große Koalition zum ersten Mal unter fünfzig Prozent. Die beiden Volksparteien SPD und CDU zusammen erreichen nicht einmal mehr die Hälfte der Bevölkerung.

Gut, wenn man alle Bürger betrachtet, dann war dies, eingedenk des großen Anteils der Nichtwähler, schon seit einigen Jahren der Fall. Doch diesmal will noch nicht einmal die Mehrheit der Wähler, noch für die ehemaligen Volksparteien stimmen.

Doch was ist der Grund? Geht es uns nicht prächtig? Wächst die Wirtschaft nicht, werden wir nicht alle reicher? Ist die Stimmung nicht wundervoll?

Hm. Irgendwie scheint das nicht der Fall zu sein. Als in den 1990er Jahren die Wirtschaft um die zwei Prozent wuchs, da war das ein Zeichen der Krise, und man führte die Agenda 2010 mit den Hartz-Gesetzen ein. Heute wächst die Wirtschaft um die zwei Prozent, und es ist ein Zeichen der Stärke?

Es ist vor allem ein Zeichen, dass vor allem die Wirtschaft bestimmt, wie die Stimmungslage eingeschätzt wird. In den 1990er Jahren waren ihr die Gesetze zu restriktiv, also wurde die Wirtschafskraft heruntergeredet und Deutschland zum Bankrott-Kandidaten erklärt. Doch in der Zwischenzeit wurden die Steuern für die Reichen gesenkt, der Niedriglohnsektor geschaffen und möglichst viel getan, um den Reichen das Geld in den Arsch zu schieben. Und siehe da: Mit einem Male ist die Stimmung im Lande bei gleicher Wirtschaftslage deutlich besser.

Doch warum sinkt dann die Zustimmung zur Regierung?

Weil die Stimmung eben nur im elitären Kreis der Reichen besser ist. Den Armen geht es trotz Wirtschaftsaufschwung immer schlechter. Die Zahl der Kinder, die von Hartz IV leben, wächst kontinuierlich, im letzten Jahr um 30.000 auf 1,54 Millionen. Damit lebt jedes siebte Kind in Deutschland von Hartz IV.

Zugleich steigt die Gesamtzahl derjenigen, die von Arbeitslosengeld oder Hartz IV leben - trotz Aufschwung und guter Wirtschaftszahlen. Heute sind es 6,91 Millionen Menschen - fast zweieinhalb Mal so viele Menschen wie vor 25 Jahren. Während sich die Regierung in Lobesreden über den Aufschwung übt, verarmen immer rößere Teile der Bevölkerung.

Stell dir vor, es ist Aufschwung, und kaum einer bekommt es mit.

Wen sollen die dann wählen...?



Freitag, 6. Mai 2016
In der Gewalt der Mafia
Endlich hat der Bundesverkehrsminister den Bericht zum Volkswagenskandal vorgelegt. Volkswagen hatte ja bei einigen Dieselmotoren eine Vorrichtung eingebaut, die erkannte, wann ein Wagen auf einer Testvorrichtung war, um dann die Abgase zu reinigen, während die Reinigung im Normalbetrieb praktisch abgeschaltet war. Die gute Nachricht ist: Kein anderer Hersteller benutzt dieselbe Täuschungsvorrichtung.

Die schlechte Nachricht: Kaum ein anderer Diesel kommt beim Normalbetrieb auch nur in die Nähe der Grenzwerte.

Wie kann das sein, wenn es keine Täuschungsvorrichtung gibt? Die Autoindustrie argumentierte ursprünglich damit, dass der Test halt nicht ganz realistisch sei, und so komme es schon einmal zu Abweichungen. Aber wieso kommt es auch zu Abweichungen, wenn der Testlauf identisch auf der Straße nachgefahren wird?

Nun wissen wir: Das "Thermofenster" ist schuld. Denn das Gesetz erlaubt, dass in Ausnahmefällen die Abgasreinigung ausgeschaltet werden darf, um den Motor zu schonen. Und wenn der Motor zu kalt wird, dann kann er bei eingeschalteter Abgasreinigung schon einmal Schaden nehmen. Und zu kalt, das ist in einem Land, in dem die jährliche Durschnittstemperatur bei 8,2°C liegt, schon eine Temperatur unter 10°C, bei Opel sogar unter 17°C - also fast immer. Und deswegen stinken die Autos auch immer, wenn sie fahren.

Juristen des Bundestages halten diese Praxis der quasi permanenten Ausnahmeregelung für illegal. Aber unseren Verkehrsminister stört das nicht. Ein paar Modelle nur, die sehr grob gegen die Grenzwerte verstoßen, und bei denen sich das Problem durch ein Software-Update beheben lässt, müssen zurückgerufen werden. Der Rest darf weiterfahren, als wäre nichts gewesen.

Sind Gesetzesbrecher nicht Kriminelle? Und bezeichnet man organisierte Kriminelle nicht als Mafia?

Dann scheint Deutschland sich in der Gewalt der Mafia zu befinden.
J.E.



Freitag, 22. April 2016
Umsonst ist der Tod
Menschen sind neugierig. Wir würden gerne alles über den anderen wissen. Doch niemand ist bereit, wirklich sein ganzes Leben in der Öffentlichkeit zu leben. Selbst die Narzissten, die sich bei Big Brother einsperren lassen, können sich für kurze Zeit zurückziehen. Der Mensch braucht seine Privatsphäre, denn sonst würde er nicht mehr sein Leben leben, sondern das anderer Menschen.

Auch der Staat ist neugierig. Er möchte gerne alles über seine Bürger wissen. Doch dieser Neugier hat das Bundesverfassungsgericht einen Riegel vorgeschoben: Das BKA-Gesetz, welches der Bundespolizei weitreichende Rechte bei der Überwachung der Bürger einräumte, ist nicht verfassungskonform. Die Privatsphäre muss geschützt werden.

Aber interessiert uns das noch? Dem Staat verbieten wir, unsere Privatsphäre zu durchleuchten, gegenüber Unternehmen, die kaum an Gesetze gebunden sind, haben wir damit jedoch kein Problem. Wann immer wir eine Webseite besuchen, wann immer wir eine Email schreiben, geben wir etwas über uns Preis; denn die E-mail-Dienst können unsere E-Mails mitlesen - und tun dies auch.

Wir glauben, wir würden etwas umsonst bekommen, und bezahlen dies mit dem Ende unserer Privatsphäre. Ähnlich es beim Fernsehen: Das Privatfernsehen kostet uns nichts. Wir zahlen nur die Werbung, die dort läuft. Aber wieviel wir so bezahlen, das wissen wir nicht; deswegen glauben wir ja, dass es umsonst sei. Dass hingegen die öffentlich-rechtlichen Geld kosten, dass sehen wir direkt. Und deswegen regen wir uns über diese "Zwangsabgabe" auf.

Im Internet agieren wir ähnlich: Wir sehen nicht, was uns die Nutzung der Dienste kostet. Das geschieht im Verborgenen. Wir haben keine Ahnung, was wir wirklich zahlen. Doch es scheint viel zu sein: Google verdient schließlich Milliarden.

Doch würde uns jemand denselben Dienst gegen eine monatliche Gebühr anzubieten, dafür aber unsere Daten zu schützen, dann würden wir dies für Abzocke halten

Dabei wissen wir doch: Umsonst ist nur der Tod.

Aber wer denkt schon gerne an den Tod.
K.M.



Samstag, 9. April 2016
Parallelgesellschaften
Belgien hat gerade die Festnahme eines der Attentäter gemeldet, die am Attentat auf den Flughafen beteiligt waren. Belgien, wo der Brüsseler Stadtteil Molenbeek eine berüchtigte Berühmtheit als Keimzelle des Terrorismus erlangt hat. Ein Stadtteil, der als der ärmste Belgiens gilt, mit einer Jugendarbeitslosigkeit von knapp 50 Prozent.

Wenn man keine Perspektive mehr hat, dann hat man auch nichts mehr zu verlieren. Ist es da ein Wunder, dass viele Terroristen gerade in einer solchen Umgebung geformt werden?

Diese Terroristen bilden dann eine Parallelgesellschaft. Sie leben neben dem Staat, den sie ohnehin nicht anerkennen, und machen sich ihre eigenen Regeln.

Doch Parallelgesellschaften gibt es nicht nur am Boden der Gesellschaft. Die Panama Papers haben gezeigt, wie viele Reiche sich Briefkastenfirmen allein über die Kanzlei Mossack Fonseca organisiert haben - und diese Kanzlei ist noch nicht einmal die größte in diesem Geschäft.

Natürlich sind Briefkastenfirmen nicht verboten. Sie machen aber nur Sinn, wenn man kriminelle Geschäfte vertuschen will oder Steuern interziehen, kurz, wenn man den Staat und die Gesellschaft betrügen will. So schaffen sich auch die Reichen eine Parallelgesellschaft; sie leben neben dem Staat, den sie ohnehin nicht anerkennen, und machen sich ihre eigenen Regeln.

Und es gibt viel mehr Reiche als Terroristen.

Da fragt man sich doch, wer letztlich für die Bürger gefährlicher ist. Besonders, wenn man bedenkt, dass dieser Reichtum nur auf die Kosten der Armut von Leuten wie den Bewohnern von Molenbeek möglich ist.
J.E.



Freitag, 25. März 2016
Die teuflische Fratze
Und wieder gab es Anschläge religiöser Fanatiker, diesmal in Brüssel. 31 Menschen starben, über 230 Menschen wurden verletzt, als Selbstmordattentäter sich am Flughafen und in einer U-Bahn-Station in die Luft sprengten.

Bewusst spreche ich von "religiösen Fanatikern" und nicht von "islamistischen Fanatikern", denn letztlich ist es nur eine Fußnote, welcher Religion diese Menschen angehört haben, die weder ihr Leben achteten noch das der anderen Menschen. Sie führten ihre Verbrechen im Namen eines Gottes durch, im Namen einer Religion. Doch es ist unwichtig, welche Religion das ist. Es ist nur wichtig, dass es eine Religion ist.

Denn nur eine Religion kann Menschen dazu bringen, andere Menschen zu verachten, weil sie Mitglieder ihrer eigenen Religion als die Auserwählten betrachtet - und damit alle anderen als Wesen zweiter Klasse. Nur eine Religion kann diesen Fanatismus aufbringen, der Menschen dazu bringt, ihr eigenes Leben "für die Sache" zu opfern; denn nur eine Religion verlangt unkritischen Gehorsam.

Will man die heiligen Schriften der Thora, der Bibel oder des Korans wörtlich nehmen, dann muss man glauben, nicht denken. Ich glaube, weil es absurd ist, wie Augustinus gesagt haben soll. Der Glaube ist nicht rational, und die heiligen Schriften strotzen vor Unstimmigkeiten und Widersprüchen, so als seien sie von einem Wesen niedergeschrieben worden, dessen geistige Kräfte schon deutlich nachgelassen hatten.

Die heiligen Schriften wörtlich nehmen heißt, sich jeder Kritik zu enthalten. Man argumentiert nicht rational, sondern man glaubt. Man unterwirft sich dem Glauben, man gibt sich ihm hin - und der Glaube bestimmt das Leben, bis zu dem Moment, in dem man sich für den Glauben opfert.

Aber halt, könnte man rufen, die Terroristen sind doch alles Muslims! Wie können wir alle Religionen mit dem offensichtlich kriminellen Islam in einen Topf werfen?

Weil alle Religionen mit ihrer Forderung nach unkritischem Glauben gefährlich sind. Das Christentum hat seine Gefahr und Unmenschlichkeit im Mittelalter mehr als deutlich demonstriert, mit Kreuzzügen, der Inquisitionen und Hexenverbrennungen. Heute ist es menschlich, weil es machtlos ist. Die christlichen Staaten sind weitestgehend säkular, die Religion spielt kaum noch eine Rolle. Ihr fehlt die Macht, ihr grausames Spiel zu spielen. Anders in den islamischen Ländern, wo die Religion noch eine starke Rolle spielt.

Und dort zeigt die Religion ihre teuflische Fratze.
P.H.



Samstag, 12. März 2016
Die Theorie muss stimmen
Ökonomen sind große Denker. Anders als Physiker und Chemiker brauchen sie keine aufwendigen Experimente, um ihre Theorien zu überprüfen; anders als Biologen machen sie sich nicht die Mühe, die Welt zu beobachten, schließlich ist die Welt der Menschen so viel komplizierter als die Welt der Tiere. Ökonomen setzen sich hin und rechnen. Und wenn sie ein Ergebnis haben, dann muss es stimmen.

Ein solches Ergebnis ist die Theorie von Nachfrage und Angebot, die über den Preis bestimmt wird. Steigt der Preis, dann steigt das Angebot, doch die Nachfrage sinkt - und umgekehrt.

Dieser Theorie folgt auch die Europäische Zentralbank (EZB) unter Mario Draghi. Die Wirtschaft lahmt, sie könnte besser laufen, wenn sie mehr Geld hätte. Also wird das Angebot an Geld erhöht, indem der Preis des Geldes, der Zins, gesenkt wird. Diese Politik verfolgt die EZB nun schon seit Jahren, ohne großen Erfolg. Da die Theorie aber stimmen muss, war wohl der Preis des Geldes noch zu hoch. Also reduzierte die EZB ihn nun auf null. Die Realität soll endlich gezwungen werden, sich an die Theorie zu halten.

Das ging schon beim Mindestlohn schief. Hier hatten die Ökonomen vorgerechnet, dass ein höherer Lohn die Nachfrage nach Arbeitskräften reduzieren würde, weshalb die Arbeitslosigkeit in Deutschland steigen müsste. Auch das ist nicht eingetreten.

Echte Wissenschaftler würden sich nun fragen, ob vielleicht die Theorie fehlerhaft ist, wenn die Realität sich so hartnäckig weigert, ihr zu folgen.

Doch Ökonomen sind weniger Wissenschaftler als oft nur ein Sprachrohr der Eliten. Und denen helfen ein geringer Lohn durch höhere Gewinne und niedrige Zinsen durch explodierende Aktienkurse prächtig. Also stimmt die Theorie doch.
J.E.



Samstag, 27. Februar 2016
Der falsche Feind
Die Zeiten werden härter in Deutschland. Die ersten Flüchtlinge begrüßte man noch freundlich, doch nun werden Flüchtlinge, die in ihrer Heimat um ihr Leben fürchten mussten, wie Feinde empfangen und beschimpft, wie gerade erst im sächssichen Clausnitz. In Bautzen brannte gar ein Asylbewerberheim ab - und die Umstehenden spendeten Beifall für die Brandstifter. Der Feind ist klar: Es ist der Fremde, der Flüchtling, der Arme, der nur unser Geld will.

Doch ist er das wirklich?

Das ZDF-Magazin WISO berichtete am Montag von dubiosen Geschäften vieler Zahnärzte. Diese stellen den Zahnersatz in der Regel nicht selber her, sondern geben die Aufträge an externe Labore. Dabei haben sie die freie Wahl. Und viele Zahnärzte stellen eine Bedingung: Sie wollen sich für die "Vermittlung" dieser Aufträge bezahlen lassen, sonst vergeben sie den Auftrag an ein anderes Labor. Sie verlangen für den Auftrag etwa 10% des Umsatzes. In einer anonymen Umfrage bestätigte knapp die Hälfte der Labore, an solch illegalen Cashback-Geschäften beteiligt zu sein. Sucht man bei Google nach weiteren Bericht zu diesem Verbrechen, dann stellt man verwundert fest, dass kein anderes Medium diesen Skandal aufgegriffen hat. Man berichtet lieber über die Asylschwemme.

Und dann gibt es noch die berühmten Cum-Ex-Geschäfte vieler Banken und Investoren. Zu einem Stichtag erhält eine Bank die Dividende für seine Aktien. Als Unternehmen kann es sich die Kapitalertragsteuer zurückerstatten lassen. Doch das macht nicht nur derjenige, der tatsächlich die Dividende erhalten hat und die Steuer gezahlt hat, sondern auch viele, die um den Zeitpunkt der Dividendenzahlung die Aktien besaßen, lassen sich die Steuern erstatten, obwohl sie diese nie gezahlt haben. Der Staat sah diesem Treiben lange zu - und es ist immer noch fraglich, ob er dieses illegale Treiben wirklich beenden wird.

Doch wenn wir die Feinde der Gesellschaft suchen, dann suchen wir sie am unteren Ende, bei den Armen und den Flüchtlingen, die auf unsere Hilfe angewiesen sind. Wir suchen sie nicht in den Villen der Eliten. Und dabei richten diese einen viel größeren gesellschaftlichen Schaden an.
J.E.