Freitag, 14. Oktober 2011
Privatsphäre - für die richtigen Bürger
Da war die Aufregung diese Woche groß: Wie der Chaos Computer Club mitteilte, setzt die Polizei doch tatsächlich sogenannte Trojaner ein, kleine Computerprogramm, die unbemerkt Informationen über den infizierten Computer nach außen kommunizieren. Man kennt so etwas schon vom Banking: Trojaner wurden gerne von Kriminellen eingesetzt, um die Zugangsdaten auszuspähen. Nun späht auch der Staat. Das darf er unter bestimmten Bedingungen auch, wenn es darum geht Verbrechen aufzuklären. Nur konnte der "Bundestrojaner" wohl deutlich mehr, als die Polizei erlaubt. So fertigte er alle paar Minuten einen Screenshot an und überwachte auch die Tastatureingaben. Zudem ermöglichte es der Bundestrojaner, andere Programme einzubinden, die die Kamera oder das Mikrofon des Rechners aktivierten und so eine Überwachung des Raums ermöglichten, in dem sich der Rechner befand.

Da dieses illegale Vorgehen unserer "Sicherheitsbehörden" nun öffentlich geworden war, musste man etwas tun. Und so beschloss der Innenminister Bayerns - hier war der Trojaner am häufigsten eingesetzt worden - die Nutzung dieses Programms bis auf weiteres einzustellen. Man wolle das Ergebnis der Prüfung durch den bayerischen Datenschutzbeauftragten abwarten.

Nun gut, könnte man meinen, staatliche Behörden haben Mist gebaut, das wurde aufgedeckt, die Behörden halten sich jetzt zurück, und alles ist wieder in Ordnung, die Demokratie funktioniert, sie schützt die Privatsphäre des Menschen.

So könnte man meinen, wenn nicht Report Mainz in seiner Sendung vom 11.10.2011 über die geplante Änderung des Beschäftigtendatenschutzgesetzes berichtet hätte. Da der Bundestrojaner die Gemüter so erhitzte, ging diese Meldung im Blätterwald unter und erreicht im Google News kaum 10 Treffer, während der Bundestrojaner spielend auf einige Tausend kommt.

In der Vergangenheit gab es bei der Telekom und der Deutschen Bahn Vorfälle, wo Verbindungs- oder Kontendaten von Mitarbeitern abgeglichen wurden. Bei anderen wie dem Discounter Lidl wurden die Mitarbeiter gleich per Video überwacht. All diese Aktionen waren verboten oder spielten sich im rechtlichen Graubereich ab. Um jetzt Klarheit zu schaffen, was sich ein Arbeitgeber seinen Mitarbeitern gegenüber denn nun erlauben kann und was nicht, soll das Beschäftigungsdatenschutzgesetz geändert werden - und all die Aktionen, die bisher verboten waren, werden mit einem Male legal.

So ist es nun möglich, dass Arbeitgeber "unter bestimmten Voraussetzungen die Inhalte von E-Mails ihrer Arbeitnehmer auswerten, mehr Videoüberwachungsmaßnahmen am Arbeitsplatz zur Qualitätssicherung installieren und vor allem großflächige, verdachtsunabhängige Datenabgleiche, sogenannte Screenings, über alle Beschäftigten vornehmen" dürfen, wie Report Mainz in einer Presse-Mitteilung schrieb.

Sollte dies Gesetz werden, dann dürfte der Arbeitgeber tiefer in die Privatsphäre seiner Mitarbeiter eindringen als dies der Staat darf. Aber das ist eben das neoliberale Grundverständnis unserer Zeit: Wenig Rechte für den Staat, viel Rechte für den Bürger. Zumindest für die richtigen Bürger, die wo die Macht im Lande haben, weil ihr Konto gut gefüllt ist...
K.M.