Freitag, 28. Oktober 2011
Schnitt - danke!
Man hatte in den letzten Wochen den Eindruck, einen Krimi zu beobachten. Beinahe jeden Tag gab es Neuigkeiten zum Rettungsschirm für Griechenland. Entweder gab es in Griechenland großangelegte Streiks, oder die Troika aus Vertretern der Europäischen Kommission, Europäischen Zentralbank und Internationalem Währungsfond war mit den Sparergebnissen der griechischen Regierung nicht zufrieden, oder man hörte verwundert, dass die griechische Regierung das Gelände des alten Athener Flughafens nicht verkaufen könnte, weil es mangels Grundbüchern unklar sei, ob es wirklich komplett dem Staat gehöre...

In der Nacht zum 27.10.2011 gab es in diesem Thriller einen erneuten Höhepunkt. Die Regierungschefs der Euro-Zone haben sich auf einen Schuldenschnitt für Griechenland von 50% geeinigt. Vor Wochen noch war dies undenkbar, nun mit einem Male wurde es beschlossen. Verwundert reibt man sich die Augen.

Und was sagen die Banken? Immerhin müssen sie ihr Milliardenengagement doch nun zur Hälfte abschreiben. Hören wir, was Josef Ackermann, seines Zeichens nicht nur Chef der Deutschen Bank, sondern auch Präsident des internationalen Bankenverbands (IIF), und damit oberster Repräsentant der Finanzbranche und an allen Gesprächen beteiligt, dazu zu sagen hat: „Wir sind sehr zufrieden mit der erreichten Einigung.“ Die Banken sind zufrieden damit, die Hälfte ihres Einsatzes zu verlieren?

Nun, wie sich zeigt, ist das auch völlig in Ordnung; schließlich ist die Hälfte von nahezu Null noch nicht einmal genug, um sich davon in München ein Eis kaufen zu können. Von den etwa 45 Milliarden Euro, mit denen deutsche Institutionen in griechischen Staatsanleihen investiert sind, liegen nur noch etwa 5 Milliarden bei den privaten Banken, gut 40 Milliarden befinden sich mittlerweile in öffentlicher Hand - also bei uns Steuerzahlern. Vor Monaten war das Verhältnis noch deutlich ungünstiger für die privaten Banken. Aber damals wollte die Regierung ja auch auf keinen Fall einen Schuldenschnitt. Hatten wir da nicht vor kurzem was vermutet?

Und das Schönste kommt, wie immer, zum Schluss: Ein Schuldenschnitt von 50% muss nicht immer einen Verlust bedeuten. Es ist nur ein Verlust, wenn man die Staatsanleihe zu einem Preis eingekauft hat, der über 50% des Nennwertes lag. Das haben die griechischen Staatsanleihen jedoch längst hinter sich. In den letzten Wochen wurden sie nur noch für etwa 35% des Nennwertes verkauft - hätte man da zugeschlagen, können man sie jetzt für 50% verkaufen, und hätte ein hübsches Sümmchen eingefahren. Und nun raten Sie mal, was einige Banken in den letzten Wochen getan haben. Kein Wunder, dass Herr Ackermann so zufrieden mit der Einigung ist...

Noch kann keiner sagen, ob der Krimi um Griechenlands Schulden mit der Entscheidung zum Schuldenschnitt ein Ende gefunden hat. Allerdings lässt sich jetzt schon sagen, dass der Krimi immer mehr zu einer schwarzen Komödie mutiert.
J.E.